Urheberrechtsreform: Bundesregierung billigt Upload-Filter und Sperrknopf

Seite 2: Gebrochenes Versprechen

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Die Initiative Urheberrecht, die über 39 angeschlossene Organisationen rund 140.000 Urheber und Künstler vertritt, hatte die Verzögerung scharf kritisiert. Der Entwurf biete europarechtskonform die beste Grundlage dafür, die Kreativen gegenüber den Internetkonzernen nachhaltig besserzustellen. Wichtig sei etwa die vorgesehene Pflicht für Plattformbetreiber, zum Rechtserwerb Lizenzverträge etwa mit Verwertungsgesellschaften abzuschließen.

Die Regierung habe ihr Versprechen gebrochen, Upload-Filter "nach Möglichkeit verhindern" oder "weitgehend unnötig machen" zu wollen, kritisierte der Verein Digitale Gesellschaft. Der geplante Mechanismus könne allenfalls Fälle irrtümlicher Sperrungen minimieren. Damit lasse sich nicht der ausdrücklichen Anforderung der Richtlinie gerecht werden, "dass legale Inhalte nicht blockiert werden dürfen".

Volker Grassmuck aus dem Vorstand der Digitalen Gesellschaft meinte, dass so "eine grundlegend algorithmenbasierte neue Infrastruktur" geschaffen würde, "in die hinein alle künftigen Regeln für Urheberrechte und möglicherweise alle anderen zu kontrollierenden Inhalte im Online-Bereich formuliert werden". Darin liege ein enormes Risiko für die Meinungsfreiheit. Mit Erfolg hätten insbesondere große Verlage und die Musikindustrie mit Falschbehauptungen und einer bewussten Fehlinterpretation der Richtlinie das Zerrbild einer bevorstehenden "Enteignung" der Rechteinhaber an die Wand gemalt.

Google teilte mit, in den vergangenen drei Jahren an YouTuber, Künstler sowie Musik- und Medienunternehmen über 30 Milliarden US-Dollar ausgeschüttet zu haben. Im Musikbereich bestünden auf YouTube bereits Lizenzvereinbarungen mit der überwiegenden Mehrheit der Inhaber von Musikrechten. Die deutsche Adaption von Artikel 17 führe nun aber "eine Reihe von Komplexitäten und rechtlichen Unsicherheiten" zu Lasten von Plattformen ein. Führende Urheberrechtsexperten forderten, dass Zitate und Parodien vergütungsfrei bleiben müssten.

Die vorgelegte Umsetzung von Artikel 17 sei "an Komplexität nicht mehr zu überbieten", beklagt der IT-Branchenverband Bitkom. Praktisch würden Plattformen verpflichtet, Nutzerinhalte beim Upload automatisiert zu scannen. Die dafür angelegten Kriterien ließen hohe Fehlerquoten erwarten. Neue Strukturen zur Rechteklärung würden Transaktionskosten derart in die Höhe treiben, "dass in der Summe weniger Einnahmen bei den Kreativen ankommen". Das Vorhaben konterkariere letztlich "die bereits errungenen Kompromisse auf EU-Ebene".

"Ob zu wenig oder zu viel gesperrt wird, die Haftung trifft immer die Diensteanbieter, die binnen Sekunden über die im Urheberrecht meist sehr komplexen Sachverhalte entscheiden müssen", gab der Vorstandsvorsitzende des eco-Verbands der Internetwirtschaft, Oliver Süme, zu bedenken. "Nur die Justiz – nicht private Anbieter und Unternehmen – sollte entscheiden, was Recht und was Unrecht ist." Hier seien "die fehlende Balance und Unausgewogenheit" zu kritisieren. Auch das Leistungsschutzrecht führe zu einem tiefen Einschnitt in die Meinungsfreiheit und lähme die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in ganz Europa.

"Die Nutzerrechte kommen zu kurz", moniert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). "Eine gravierende Enttäuschung bleiben die zwingend erforderlich gewordenen Upload-Filter". Die grüne Netzpolitikerin Tabea Rößner beklagt, der Entwurf gleiche einer Großbaustelle.

"Es wird wissentlich und willentlich über Exklusivrechte von Künstlern und ihren Partnern verfügt, in Märkte reinreguliert", empört sich dagegen Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie. Plattformen entlasse die Regierung "an vielen Stellen wieder aus der Haftung". Auch andere Verbände und Institutionen von Rechteinhabern verschiedener Branchen zeigten sich "bestürzt" über das Vorhaben, gegen das sie jüngst noch mit Brandbriefen an Regierungsmitglieder Sturm gelaufen waren.

(anw)