Foto von Fototapete verletzt Urheberrecht des Fototapeten-Fotografen

Seite 2: Kritik von Juristen

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Nicht geprüft hat das LG Köln den Widerspruch seiner Auslegung der Beiwerk-Ausnahme des deutschen Urheberrechts zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dort ist das Recht auf freie Meinungsäußerung verbrieft. Im Unterschied zum Gemälde der Möbelkatalog-Entscheidung kann eine Tapete nicht zerstörungsfrei von der Wand genommen werden. In so einem Fall führt die enge Auslegung der Beiwerk-Ausnahme schnell dazu, dass bildliche Äußerungen im Internet unterdrückt werden. Allerdings lässt die Kölner Urteilsbegründung vermuten, dass die Beklagte dieses Argument nicht vorgebracht hat.

Sogar direkt im Urheberrecht könne man die Entscheidung anfechten, meint Rechtsanwalt Marcus Beckmann von der Bielefelder Kanzlei Beckmann und Norda: "Es lässt sich sehr wohl argumentieren, dass bei Kauf einer Fototapete entsprechende Nutzungsrechte auch für die Verbreitung im Internet auf den Käufer übergehen, soweit die Tapete dem Vertragszweck entsprechend genutzt und in diesem Zusammenhang wiedergegeben wird", führte er gegenüber heise online aus.

Schließlich müsse der Verkäufer damit rechnen, dass die Tapete auch verwendet wird und auf Fotos auftaucht. "Ebenso lässt sich mit guten Gründen vertreten, dass die Fototapete, und in anderen Fällen auch andere Gegenstände, nur unwesentliches Beiwerk nach Paragraph 57 Urheberrechtsgesetz ist, da ja das Hotelzimmer abgebildet werden soll" und nicht vorrangig die Tapete, argumentiert Beckmann. Er befasst sich regelmäßig mit Urheberrecht und hat auf Mastodon auf das Kölner Urteil aufmerksam gemacht. Allerdings hatte die Beklagte das Risiko, auch in der Berufung zu verlieren, was weitere Unkosten bedeutet hätte, zeigt Beckmann Verständnis für die Aufgabe.

Joerg Heidrich

"Die Entscheidung des Landgerichts zeigt eindrucksvoll, wie wenig das reichlich überzogene Urheberrecht inzwischen für einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten sorgt", kommentiert Heise-Justiziar Joerg Heidrich das Kölner Urteil, "Im Endeffekt verlangt das Gericht hier ernsthaft von dem Käufer einer Tapete, sich vorab mit der Lizenzierung der abgebildeten Fotos auseinanderzusetzen. Es muss prüfen, ob er Fotos seiner Wohnung, auf der der Wandschmuck zu sehen ist, überhaupt ins Netz stellen darf. Versäumt er dies, droht eine Abmahnung und eine Zahlung im mittleren vierstelligen Bereich. Nicht nur dieser Fall zeigt, dass in vielen Bereichen die Ansprüche aus dem Urheberrecht viel zu weit gehen und Missbrauch Tür und Tor geöffnet sind."

Viele Betroffene scheuen die Öffentlichkeit. Anders Markus Hawner, Betreiber der Whiskytruhe im Ort Schmelz im Saarland. Er hatte eine Wand seines Ladens mit einer Fototapete beklebt und dann vor der Wand abgestellte Ware online hergezeigt. Die Tapete war mit im Bild. In mehreren Youtubevideos schildert er seinen Schock und Unmut über die Abmahnung, die ihn um die 5000 Euro zuzüglich eigener Anwaltshonorare kostet. Er hat die Tapete inzwischen übermalt, muss aber trotzdem zahlen. Besonders absurd findet er den verrechneten Zuschlag wegen Nicht-Nennung des Urhebers: Woher er wissen solle, wer der Fotograf für die ordnungsgemäß gekaufte Fototapete war?

Offen ist, wie das LG Köln bei rein privater Nutzung entschieden hätte, beispielsweise beim Upload einer vor einer Tapete aufgenommenen Szene des Familienlebens. Grundsätzlich unterscheidet der Beiwerk-Paragraph nicht zwischen kommerziell und privat. Sicher ist, dass Deutschland für Gewerbetreibende ein urheberrechtliches Minenfeld ist. Andere Gerichte hätten vielleicht anders entschieden, was aber nichts nutzt: Deutschland hält bei Fällen mit Online-Bezug immer noch am fliegenden Gerichtsstand fest. Kläger können sich ein beliebiges deutsches Landgericht aussuchen, und wissen jetzt, dass sie in Köln Gehör finden.

Die einzige sichere Herangehensweise ist, nur Gegenstände abzulichten, die man selbst entworfen hat oder deren Urheberrecht garantiert abgelaufen ist. Da dieses inzwischen 70 Jahre nach dem Ableben des Urhebers weiter gilt, sind nur vor ~1850 erzeugte Sachen urheberrechtlich garantiert gefahrenfrei. Kennt man die gesamte Liste aller möglichen Miturheber eines Werks nicht, muss man davon ausgehen, dass wenigstens einer der (Mit)Urheber ein biblisches Alter erreicht hat. Dazu addiert man dann 70 Jahre plus die Zeit bis zum Ablauf des Kalenderjahres, also eigentlich rund 71 Jahre. Derzeit sind nur Werke gemeinfrei, deren letzter Urheber 1952 oder früher gestorben ist.

Auch gegen das Abmahnunwesen, wo Abmahnungen weniger der Durchsetzung von Rechtsansprüchen, sondern mehr der Generierung von Anwaltsgebühren dienen, sind Deutsche schlecht geschützt. Im Wettbewerbsrecht ist die Geltendmachung von Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie missbräuchlich ist. Für das Urheberrecht gibt es diese Einschränkung nicht, wie das LG Köln ausdrücklich festhält.

[Update] Die Beklagte hat im Verfahren offenbar wenig Chance gesehen und den Anspruch des Fotografen anerkannt. [/Update] Die für die Abmahnung fälligen 1003,40, Euro, die Verfahrenskosten und das Honorar das eigenen Anwalts sind nur der Anfang. Sie muss außerdem Auskunft darüber geben, wie lange die rechtsbrecherischen Fotos online waren. Erst auf dieser Basis kann berechnet werden, wie viel Geld dem Kläger nach deutschem Recht für die Urheberrechtsverletzung zusteht.

Der Kläger heißt Cama Ventures. Das ist die kanadische Firma des deutschen Fotografen Stefan Böhme. "Stefan Böhme ist Fotograf, Künstler und Unternehmer. Er reist an die schönsten Orte der Welt und hält dort hauptsächlich Food (sic), Landschaften und Architektur mit der Kamera fest. Er lebt mit seiner Familie auf Bali, Koh Samui und Mallorca", beschreibt er sich in einem Online-Shop. Böhme lässt am LG Köln mehrere Klagen gegen deutsche Fototapetenurheberrechts-Brecher führen, die nach Abmahnung nicht gezahlt haben.

(ds)