Irreführendes Google-Snippet: Verlage können haften
Die Kurzzusammenfassung eines Artikels einer Boulevardzeitung für Suchmaschinen war laut einem Kölner Gericht in presserechtlicher Sicht bewusst unvollständig.

(Bild: nepool/Shutterstock.com)
Presseverleger können für irreführende Kurztexte in Suchmaschinen wie Google haftbar gemacht werden, auch wenn der vollständige Artikel korrekt ist. Dies hat das Landgericht Köln mit einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom 22. Januar entschieden (Az.: 28 O 252/24). Die Richter argumentierten, dass solche Kurzzusammenfassungen von Nachrichtentexten wie Schlagzeilen auf der Titelseite einer Zeitung behandelt werden sollten. Auch diese müssten etwa bereits bei der Auslage in einem Kiosk leicht verständlich und korrekt sein, da viele Leser nur die Überschrift wahrnähmen und nicht in die Tiefe gingen: "Viele Nutzer von Internetsuchmaschinen werden nicht alle ihnen angezeigten und von ihnen zur Kenntnis genommenen Suchergebnisse auch anklicken."
In dem Fall, über den der Anwalt Jörn Claßen von der Kölner Medienkanzlei Brost Claßen berichtet, ging es um ein Snippet zu einem Artikel auf bild.de. Darin verwies die zu Axel Springer gehörende "Bild" auf Ergebnisse von Routinekontrollen der Lebensmittelüberwachung in zwei Franchise-Filialen einer Imbisskette. Die Betreiber sahen sich demnach mit Vorwürfen wie Schmutz, Fake-Fleisch und Hygienemängel konfrontiert. Das Snippet für die Anzeige in Ergebnislisten von Suchmaschinen sei dem Gericht zufolge in presserechtlicher Sicht bewusst unvollständig gewesen, schreibt Claßen. Leser seien nicht darüber aufgeklärt worden, dass es sich um ein Franchisesystem handelte und sich die Vorwürfe nur gegen zwei Franchisenehmer richteten.
Google hat das Snippet nicht verändert
Angesichts der fehlenden Aufklärung könnte bei Rezipienten der Eindruck entstehen, dass die Missstände für alle Filialen gälten, heißt es weiter. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Artikel in der Rubrik "Regional" veröffentlicht worden sei. Mit der zu erwartenden Fehleinschätzung verletze das Snippet die Unternehmenspersönlichkeitsrechte der klagenden Franchisegeberin, die folglich einen Unterlassungsanspruch habe. Das Gericht machte den Verleger dabei dafür haftbar, dass Google den von ihm erstellten Meta-Tag des Artikels wörtlich übernahm. Der umstrittene Text sei dem Verlag damit direkt zuzurechnen, was zu einer unmittelbaren Verantwortlichkeit geführt habe. Anders wäre es laut Claßen gewesen, wenn Google zulässige Meta-Beschreibungen von Inhalteanbietern selbstständig abgeändert hätte und erst so ein rechtsverletzendes Snippet generiert worden wäre. Dann würde der Suchmaschinenbetreiber als unmittelbar Verantwortlicher oder Störer haften.
Herausfordernd ist die Gestaltung von Artikelzusammenfassungen durch das Leistungsschutzrecht. In der EU-Urheberrechtsrichtlinie ist geregelt, dass nur "einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge eines Textbeitrags" ohne Lizenz- und Zahlungspflicht als Schnipsel von Suchmaschinen angezeigt werden dürfen. Hierzulande ist von "kleinsten Textausschnitten" die Rede, nachdem die Grenze zunächst in der Regel bei nur acht Wörtern liegen sollte. Google plädierte im Gesetzgebungsverfahren vergeblich dafür, dass Überschriften und Snippets von einer Länge bis zu 200 Zeichen vom Schutzbereich ausgenommen werden sollten. Verlegerverbände wollten, dass "regelmäßig nicht mehr als drei Wörter" lizenzfrei bleiben. Das Gericht stellte ferner fest, dass eine Verzögerung von etwa drei Wochen zwischen der Reaktion des Verlegers auf eine Warnung und der Einreichung eines Antrags auf einstweilige Verfügung nicht als ungerechtfertigt angesehen werden könne. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und wird voraussichtlich auch das Oberlandesgericht beschäftigen.
(nen)