Urteil zum aufgesetzten Parken: 50.000 Autos in Bremen müssten umparken

In der Rechtsprechung spielte das aufgesetzte Parken auf Gehwegen bisher keine Rolle, obwohl es grundsätzlich illegal ist und überall praktiziert wird.

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Aufgesetztes Parken in einer Bremer Wohnstraße.

(Bild: heise online / Andreas Wilkens)

Lesezeit: 4 Min.
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Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen sorgt für Denkfalten im dortigen Senat. Es geht darum, eine Lösung zu finden für tausende Autos, die momentan in der Stadt illegal parken.

Eigentümer und Bewohner von Wohnhäusern in drei Bremer Stadtteilen hatten von der Straßenverkehrsbehörde verlangt, gegen die seit Jahren an beiden Straßenseiten auf Gehwegen aufgesetzt parkenden Autos einzuschreiten. Da die Behörde dies Mitte 2019 ablehnte, gingen die Beschwerdeführer gegen die zuständige Verkehrssenatorin vor das Verwaltungsgericht.

Das Gericht entschied (PDF), Paragraph 12, Abs. 4 und 4a der Straßenverkehrsordnung, aus dem das grundsätzliche Verbot des Gehwegparkens folge, diene nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit, sondern auch dem der konkret betroffenen Anwohner. Die Kläger seien als Anwohner von Straßen, in denen nicht nur vereinzelt, sondern dauerhaft verkehrsordnungswidrig auf den Gehwegen geparkt werde, grundsätzlich berechtigt, von der Straßenverkehrsbehörde ein Einschreiten zu verlangen. Da das Verwaltungsgericht den in dem Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zumisst, hat es die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Dafür haben die Parteien einen Monat Zeit.

Das Besondere an dem Urteil sei, dass das Gericht überhaupt dieses subjektive Recht festgestellt hat, und das auf öffentlichem Grund, sagte Verwaltungsgerichtssprecher Carsten Bauer laut Tageszeitung. "Es wäre nicht erstaunlich gewesen, wenn die Kammer das anders gesehen hätte." Bisher sei die Frage, ob Anwohner ein Recht darauf haben, dass gegen Parken auf dem Gehweg vorgegangen wird, in der Rechtsprechung nicht diskutiert worden. Die Kläger meinen, durch das Urteil würden die Rechte des Fußverkehrs nicht nur in Bremen gestärkt.

Die Straßenverkehrsbehörde hatte argumentiert, sie habe keinen Handlungsspielraum, wenn sich die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden Ordnungsamt, Polizei und kommunaler Ordnungsdienst nach ihrem Ermessen gegen ein Einschreiten entschieden. Verkehrsschilder müssten nicht aufgestellt werden, da den Autofahrern die Parkvorschriften bekannt seien.

Das Gericht meint hingegen, die Straßenverkehrsbehörde sei nicht darauf beschränkt, Verkehrsschilder aufzustellen. Sie sei spezialisiert auf weitere Vorkehrungen, dazu gehören auch Verwaltungsvollstreckungen. Ihr stehe grundsätzlich ein Ermessen zu, ob sie gegen das aufgesetzte Gehwegparken einschreitet. Dabei dürfe die Behörde sich wegen der Besonderheiten des Einzelfalls nicht grundsätzlich gegen ein Einschreiten entscheiden. Schließlich seien die Kläger wegen der Dauer und Häufigkeit der Verstöße erheblich in ihrem Recht beeinträchtigt, die Gehwege beim Verlassen und Wiederaufsuchen ihrer Wohnhäuser zu nutzen.

Die Straßenverkehrsbehörde könne die Kläger auch nicht darauf verweisen, sich an die Ordnungsbehörden zu wenden, da diese in den betroffenen Wohnstraßen meist nicht einschritten, die Kläger seien damit faktisch rechtsschutzlos gestellt. Die betroffenen Autofahrer könnten sich nicht auf ein "Gewohnheitsrecht" berufen.

Nach Schätzungen der Verkehrsbehörde würden in Bremen 50.000 Autos aufgesetzt und damit illegal parken, etwa ein Fünftel aller im Bremer Straßenraum herumstehenden Autos, berichtet die örtliche Tageszeitung Weser-Kurier, legale Alternativen sind rar. In Bremen stehen sich nun Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und die beklagte Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) mit ihren gegensätzlichen Meinungen gegenüber.

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Schäfer habe bisher den Kurs verfolgt, "mit Maßnahmen wie Bewohnerparken, Carsharing-Angeboten, Ausbau des ÖPNV, Stärkung des Radverkehrs und weiteren Werkzeugen den Parkdruck in den Quartieren schrittweise abzubauen". Nun müsse aber das aufgesetzte Parken sofort unterbunden werden; unklar ist, wie die Verkehrssenatorin das umsetzen will. In Hannover beispielsweise wird derzeit in einigen Stadtteilen konsequent gegen das nicht erlaubte aufgesetzte Parken vorgegangen.

Der Bremer Innensenator meint, das Urteil gehe an der Realität vorbei. Würde es konsequent umgesetzt, hätten Zehntausende Autofahrer keinen Parkplatz mehr für ihr Auto, erklärte Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler laut Weser-Kurier. Es müssten vorhandene Konzepte für das Parken in Quartieren vorangetrieben werden, also Straßen zu identifizieren, in denen aufgesetztes Parken tatsächlich gefährliche Verkehrssituationen auslösen kann, und diese Bereiche zu entschärfen.

Die Bremer Verkehrssenatorin hat inzwischen gegen das Urteil Berufung eingelegt.

(anw)