Virtual Reality: User gehen, obwohl sie sitzen

Japanische Forscher erzeugen mit spezieller Hardware in Virtueller Realität bei sitzenden Usern das Gefühl zu laufen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Forscher der Toyohashi University of Technology und der University of Tokyo haben ein System entwickelt, das Nutzern in Virtual Reality ein realistisches Gefühl des Gehens vermittelt, während sie bewegungslos auf einem Stuhl sitzen. Technische Einzelheiten ihrer Studie beschreiben die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift Frontiers in Virtual Reality.

Sich mit einem realistischen Gefühl in einer virtuellen Umgebung zu bewegen, ist technisch kein triviales Problem. Denn ein User, der eine VR-Brille trägt, kann sich zwar ganz normal bewegen - und wenn das System seine Position erfasst, kann es die auch in die virtuelle Realität hinein rechnen. Da der User die Offline-Welt jedoch nicht sieht, muss man Kollisionen mit ihr technisch vermeiden. Dafür entstanden in den vergangenen Jahren mehr oder weniger innovative Lösungen wie diese speziellen Sensorschuhe, mit denen der User - auf einem drehbaren Hocker sitzend - nur über den Teppich streift, oder an ein Laufställchen erinnernde omnidirektionale Laufbänder mit Halterung.

Das bisher einzige System, bei dem der User in VR läuft und dabei offline sitzen bleibt, zeigten Forscher der Uni Hamburg 2020: Der VR Strider ist ein umgebauter, kompakter Pedaltrainer, der die Kurbelbewegungen des Users in Schritte des Avatars umsetzt. Die Illusion des Gehens wird durch ein Audio-Feedback mit Schrittgeräuschen unterstützt.

Die japanischen Forscher erzeugten die Illusion des Gehens nun allerdings komplett ohne aktive Bewegungen des Users. Dafür verwendeten sie Vibrationswandler unter den Fußsohlen der Probanden, die Schall in mechanische Reize wandelt. Die Wandler aus Aluminiumfedern und Holzplatten erzeugten mechanische Reize, die mit dem Schrittbewegungen des Avatars synchronisiert waren. Um sicher zu stellen, dass die Illusion des Gehens tatsächlich über den mechanischen Reiz und nicht über das Geräusch der Schritte ausgelöst wird - korrespondierend zum Geräusch des Vibrationssystems -, trugen die Teilnehmer Kopfhörer, die weißes Rauschen ausgaben. Sie bewegten sich durch einen virtuellen Korridor, der aus einem strukturierten Boden und Seitenwänden aus Holz bestand, mit Spiegeln, die regelmäßig auf beiden Seiten des Weges verteilt waren.

Denn in der Studie wollten die Forscher zudem untersuchen, ob die Illusion des Gehens von der Art des verwendeten VR-Avatars abhängig ist: Dafür testeten sie den Effekt aus der Ich-Ansicht und der Außen-Perspektive. Das Ergebnis: In der Ich-Perspektive erzeugten die mechanischen Reize die stärkste Illusion. Die Außen-Perspektive machte die Täuschung zunichte, die Wahrnehmung des eigenen Avatars in einem virtuellen Spiegel milderte den Effekt ab.

Mit Blick auf die Zukunft sehen Yusuke Matsuda und seine Kollegen durchaus die Möglichkeit, dieses System auch zu Hause zu nutzen. „Das vorgeschlagene Gerät besteht aus 4 Vibro-Transducern und Verstärkern. Die Konfiguration ist relativ einfach, preiswert - zwischen 300 und 500 Dollar - und kompakt“, schreibt Matsuda.

(wst)