Verbraucherschützer fordern "Reinheitsgebot" für Online-Plattformen

Online-Marktplätze und Vergleichsportale sollen als Vermittler im Nutzerinteresse agieren, ausländische Online-Händler einen Beauftragten in der EU benennen.

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Verbraucherschützer fordern "Reinheitsgebot" für Online-Plattformen

(Bild: NIKCOA/Shutterstock.com)

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Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) fordert, dass Handelsplattformen im Internet stärker zur Verantwortung gezogen werden. Die Verbraucherschützer regen ein "Reinheitsgebot" im E-Commerce an. Online-Marktplätze und Vergleichsportale sollen garantieren müssen, dass "sachfremde Interessen wie Werbezwecke oder Provisionszahlungen" keinen Einfluss auf Ergebnislisten und Verkaufsangebote haben.

Weiter regt der vzbv an zu prüfen, ob Online-Shops aus Drittstaaten "eine Niederlassung in der EU unterhalten oder einen Verantwortlichen" innerhalb der Gemeinschaft benennen sollten. Ein solcher Repräsentant könnte für die "Verkehrsfähigkeit der gelieferten Produkte" einstehen. Dürfe der Verbraucher vernünftigerweise darauf vertrauen, dass ein Marktplatz wie Amazon, Alibaba oder eBay "einen dominierenden Einfluss auf die Vertragsdurchführung nimmt", sollte dieser zudem bei Vertragsverstößen "neben dem Anbieter in eine gesamtschuldnerische Mithaftung" eintreten.

Plattformen müssten zudem über die Marktabdeckung der gelisteten Angebote sowie über mögliche Kooperationen prominent und in klarer, verständlicher Form informieren, wenn es nach dem Verband geht. Wer nutzergenerierte Bewertungen anzeige oder zu einem "Gesamt-Ranking" integriere, sollte dies "nachvollziehbar, transparent und ohne eigennützige Einflussnahme tun". Betreiber müssten ferner deutlich darauf hinweisen, wenn über sie geschlossene Verträge nicht mit dem Marktplatz selbst, sondern mit einem Dritten zustande komme.

Der vzbv stützt sich in seinen Forderungen auf ein Gutachten des Osnabrücker Wirtschaftsrechtlers Christoph Busch zum effektiven Verbraucherschutz im Online-Handel. Dieser wirbt für den Kompromiss, dass ausländische E-Commerce-Anbieter in der EU einen Beauftragten oder Ansprechpartner benennen und so Produkthaftung "as a service" liefern sollten. Die Alternative wäre es, zumindest "Fulfillment-Dienstleister" mit Auslieferungsservice über ein Logistikzentrum verantwortlich zu machen. Es gelte auf jeden Fall, die mit dem wachsenden Online-Handel klaffende Lücke bei der Haftung zu schließen.

Zugleich schlug Busch vor, angesichts eines "Strukturproblems" beim Vermischen von Interessen etwa durch Hotelbuchungsportale "positiv konkrete Designpflichten" mit einer neuen Richtlinie oder Verordnung auf EU-Ebene zu formulieren und diese mit Leitlinien über die Ko-Regulierung mit den Betroffenen zu flankieren. Sonst müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der Nutzer beispielsweise mit einem mehr schlecht als recht erkennbaren Verweis auf einen "bevorzugten Partner" ganz oben in der Ergebnisliste irregeführt werde.

Es gebe eine "Flut an Hinweisen" und Verbraucherbeschwerden, die auf diesem Gebiet klarmachten: "Es besteht Handlungsbedarf", erklärte vzbz-Vorstand Klaus Müller. Gerade "besonders günstig angebotene Ware" aus Fernost komme oft "verspätet, gar nicht oder in schlechter Qualität" beim Kunden an. Teure Tickets für Logenplätze entpuppten sich vor Ort oft als Stehplatzkarte, ergänzte Sven Scharioth, Geschäftsbereichsleiter Marktbeobachtung des vzbv. Nur acht von 28 untersuchten Vermittlern machten überhaupt Angaben zur Marktabdeckung, einen Problemlösungsmechanismus habe keine einzige aufgezeigt.

"Eine Marktregulierung findet online nicht statt", beklagte Ansgar Kluge, Syndikusrechtsanwalt bei der Drogeriekette Rossmann. Es gebe "null Kontrolle". An den chinesischen Verkäufer komme niemand ran, der Verbraucher bade das Ganze dann aus, wobei im Bereich Kosmetik das Vertrauen der Kunden dann oft ganz flöten gehe. Auch der Zoll sei "hoffnungslos überfordert mit der Masse an Paketen", ergänzte Otmar Lell, vzbv-Teamleiter Recht und Handel. Er hoffe daher, dass die Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation WTO über ein Abkommen zu E-Commerce bald erfolgreich abgeschlossen würden.

"Wir haben letztes Jahr fünf Millionen Produkte vorab von der Seite heruntergenommen", sagte Ebay-Lobbyist Nikolaus Lindner. 17.000 seien aufgrund von Hinweisen und eigener Recherche nachträglich entfernt worden. Es dürften daher nicht nur die in die Haftung rutschen, die etwa bereits Filter einsetzen. Neue Regeln müssten praxis- und onlinetauglich sein, um ein weiteres Bon-Desaster zu vermeiden. In jedem Staat der Welt einen Bevollmächtigten zu installieren, gehe gerade für kleinere Händler zu weit, zumal Verbraucher beim Online-Einkauf auch stark von der Globalisierung profitierten. (axk)