Verdi vs. Amazon: Gewerkschaften dürfen auf Betriebsgelände streiken

Amazon ist vor Gericht damit gescheitert, der Gewerkschaft Verdi das Streiken auf einem Betriebsparkplatz zu verbieten. Das Urteil könnte auch andere betreffen.

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Verdi vs. Amazon: Gewerkschaften dürfen auf Betriebsgelände streiken

(Bild: Stefan Najda / ver.di Handel, Archiv)

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  • dpa

Gewerkschaften dürfen unter bestimmten Bedingungen auf dem Betriebsgelände ihres Tarifgegners streiken und Mitarbeiter ansprechen. Das hat das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in Erfurt entschieden. Mit dem Grundsatzurteil stärkte das höchste deutsche Arbeitsgericht das Streikrecht in Deutschland.

Geklagt hatte der US-Onlinehandelsriese Amazon, der verhindern wollte, dass Verdi einen Parkplatz vor dem Haupteingang am Amazon-Standort Pforzheim (Baden-Württemberg) für Streiks nutzt. Verdi hatte argumentiert, dass es keine Alternative gegeben hätte, um mit Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Dem folgte das Gericht. Das sei aber "kein Freibrief für jedwede gewerkschaftliche Aktion", schränkte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung ein.

Im Kern ging es um einen Parkplatz am Amazon-Standort Pforzheim (Baden-Württemberg), den das Unternehmen gepachtet hat. Auf dem Areal, das zum Betriebsgelände gehört, streikten in der Vergangenheit Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie verteilten dort auch Flugblätter und forderten andere Mitarbeiter auf, sich dem Ausstand anzuschließen. Im konkreten Fall müsse der Arbeitgeber eine kurzzeitige, situative Inanspruchnahme geringer Flächen des Firmenparkplatzes hinnehmen, urteilten die Richter.

Aber die Verhältnisse vor Ort spielten dabei eine Rolle. Der Parkplatz befindet sich unmittelbar vor dem Haupteingang, die meisten Mitarbeiter kommen mit dem Auto zur Arbeit und würden wohl an den Verdi-Streikposten vorbeifahren, wenn die Gewerkschafter auf einen öffentlichen Gehweg vor dem Betriebsgelände ausweichen müssten. Wie ein Gerichtssprecher sagte, komme es also auch künftig immer auf den Einzelfall an. "Am Ende wird die Gewerkschaft schauen müssen, dass sie es nicht übertreibt", sagte der Gerichtssprecher.

Experten hatten der Entscheidung im Vorfeld eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Der Arbeitsrechtler Olaf Deinert etwa sagte, dass es auch um die Frage gehe, ob ein Arbeitgeber das Streikrecht zurückdrängen und aushöhlen kann. Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing wies darauf hin, dass "das Arbeitskampfrecht nicht durch Gesetze geregelt ist, sondern nur durch gerichtliche Entscheidungen konkretisiert wird". Hinzu kommt, dass viele Firmen Parkplätze vor den Werkshallen oder Betrieben haben. Durch das BAG-Urteil ist nun klar, dass dies nicht unbedingt reicht, um dort Streiks zu verhindern.

In einem Statement erklärte Amazon, man respektiere das Recht jedes Einzelnen Mitglied einer Gewerkschaft zu sein und an rechtmäßigen Streiks teilzunehmen. Ob Amazon mit dem Fall noch bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird, konnte ein Sprecher zunächst nicht sagen. In dem Statement hieß es, man müsse die schriftliche Urteilsbegründung noch abwarten. Verdi wertete die Entscheidung des BAG als "Riesen-Erfolg". "Heute ging es um nichts geringeres als um die Reichweite des Streikrechts", sagte Jens M. Schubert von der Gewerkschaft.

Zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft tobt seit Jahren ein erbitterter Streit – inklusive mehrerer Streikaktionen an größeren Standorten wie Bad Hersfeld oder Leipzig. Verdi will erreichen, dass die Amazon-Mitarbeiter nach den Tarifbedingungen des Einzel- und Versandhandels bezahlt werden. Amazon lehnt das ab und orientiert sich an der Vergütung in der Logistik-Branche. (mho)