Verein Digitalcourage: Neuer Vorstand gewählt, alte Weggefährten treten aus
Nach Kontroversen um die Vereinsgründer möchte der neue Vorstand nun die Arbeit des Vereins weiterführen. Doch rund um Digitalcourage rumort es weiter.
Der Bielefelder Verein Digitalcourage e.V. hat am vergangenen Wochenende einen neuen Vorstand gewählt – die zuletzt umstrittenen Gründungsvorstände wechseln auf andere Posten. Zudem haben die Mitglieder eine Strukturreform beschlossen, um Vorstand und Geschäftsführung personell voneinander trennen zu können.
Gleichberechtigte Co-Vorsitzende bei Digitalcourage sind nun die IT-Beraterin Daniela Schlegel und Thilo Weichert. Letzterer war von 2004 bis 2014 oberster Datenschützer in Schleswig-Holstein, seine Co-Vorsitzende berät im Hauptberuf Firmen zu Themen wie BSI-Grundschutz und ISO 27001. Schatzmeister wird Detlev Sieber, der bis September 2023 als organisatorischer Geschäftsführer für Digitalcourage gearbeitet hatte.
Vereins-Mitgründerin Rena Tangens, fortan als politische Geschäftsführerin tätig, und padeluun, der künftig als künstlerischer Leiter arbeitet, geben sich auf der Digitalcourage-Website selbstkritisch. "Die letzte Mitgliederversammlung ist nicht gut gelaufen", so padeluun, dem es leid tut, sich zu einer Überreaktion hinreißen zu lassen. Tangens gibt in dem Blogartikel zur Vorstandswahl zu Protokoll, man verteile die Verantwortung nun auf mehr Schultern: "Die alte Struktur, dass der Vorstand auch gleichzeitig Geschäftsführung macht, passte als wir noch kleiner waren, aber Digitalcourage ist enorm gewachsen."
Auf der Mitgliederversammlung sei eine Aufbruchsstimmung zu spüren gewesen, konstatiert Tangens; zudem verfügt der Verein über ein solides finanzielles Fundament für seine Arbeit. Lediglich die Stelle der organisatorischen Geschäftsführung in der Doppelspitze mit der politischen Geschäftsführerin Tangens ist noch unbesetzt.
Dissonanzen im Fediverse
Doch nicht alle Mitglieder trauen Digitalcourage den Neuanfang zu. Markus Korporal, der auf der eskalierten Mitgliederversammlung im November in den Vorstand gewählt worden war, die Wahl aber nach padeluuns Intervention und – gemäß einem anonym veröffentlichten Gedächtnisprotokoll – Drohungen nicht annahm, verkündete im Fediverse seinen Austritt aus dem Verein. Seiner Auffassung nach habe die Mitgliederversammlung dafür gestimmt, "die Protagonisten in neuen Kleidern weiter im Verein agieren zu lassen" – ein KO-Kriterium für den Netzaktivisten.
Weitere Mitglieder taten es ihm gleich. Christian Pietsch, unter anderem Administrator der Digitalcourage-eigenen Mastodon-Instanz, begründete seinen Austritt gegenüber heise online gar mit Selbstschutz: "In den vergangenen Monaten habe ich mich langsam, aber stetig aus dem Realitätsverzerrungsfeld herausbewegt, das die Gründungsvorstände von Digitalcourage umgibt. Mit meinem Austritt aus dem Verein heute will ich mich vor Rückfällen bewahren."
In der Sache vereint
Bei allen persönlichen und sachlichen Differenzen: Die Wichtigkeit starker netzpolitischer Initiativen sehen alle Beteiligten. So gründete sich aus dem Digitalcourage-Umfeld im Mai ein lokaler Datenschutztreff namens "Datenfreude", auch Korporal und Pietsch sind dort mit von der Partie. Digitalcourage selbst hatte zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes eine Petition für ein Recht auf Leben ohne Digitalzwang an den Bundestag gerichtet.
Christian Pietsch ist noch immer Administrator der Fediverse-Instanz bei Digitalcourage und Markus Korporal war nicht nur zur Wahl angetreten, sondern auch gewählt worden. Wir haben die entsprechenden Passagen präzisiert.
Quelle zu den Vorgängen rund um die Vorstandswahlen im November eingefügt.
(cku)