Vereinbarung mit China: Autodatenvereinbarung sorgt für Kabinettsstreit

Hat Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing die Chinapolitik der Bundesregierung untergraben? Wissing weist das zurück - das Problem liegt woanders.

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Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr in Berlin

(Bild: BMDV)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Wie umgehen mit China? Diese Frage beschäftigt Europa und die Bundesrepublik immer intensiver. Während China seine Macht und seine Ansprüche immer deutlicher demonstriert, funktioniert das angestrebte "De-Risking" bislang nur sehr eingeschränkt. Chinas Strategie gegenüber Europa ist seit Jahren davon geprägt, Einzelakteure zur Kooperation zu bringen und andere gezielt abzustrafen – und somit die Einigkeit in Frage zu stellen, die in der EU und der Bundesregierung in teils jahrelangen internen Verhandlungen hergestellt wurden. Auch deshalb war die Aufregung groß, nachdem Digitalminister Volker Wissing (FDP) am Mittwoch mit dem Direktor der Cyberspace-Administration der Volksrepublik bei einem Besuch in China eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnete – ein sogenanntes "Memorandum of Understanding (MoU)".

Dessen Inhalt: Es soll ein Dialogformat etabliert werden, in dem über Fragen des Datenflusses zwischen beiden Ländern gesprochen werden soll. Dabei geht es vor allem um das automatisierte und vernetzte Fahren – nachdem immer mehr Autos chinesischer Hersteller im europäischen und deutschen Markt verkauft werden, stellen sich hier viele Fragen: Wer hat Zugriff auf welche Daten? Wo dürfen oder müssen diese gespeichert werden? Für die Hersteller gilt dabei als Firma chinesisches Recht und damit die Kooperationspflicht mit den Sicherheitsbehörden. Als Lieferant nach Europa gilt jedoch europäisches Recht zugleich. Beide sind kaum miteinander kompatibel, weshalb es nur eine Frage der Zeit ist, bis es auch an dieser Stelle zu größeren Problemen kommen wird. Im härtesten Fall könnten chinesische Hersteller ihre Autos in der EU nicht mehr anbieten. Ob die verkauften Fahrzeuge weiterhin nutzbar wären, ist ebenso offen.

Wissing wurde nach der Unterzeichnung vorgeworfen, seine Schritte nicht mit den anderen Bundesregierungsressorts abgestimmt zu haben. Das Handelsblatt zitierte Jens Zimmermann, den digitalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion mit den Worten: "Wissing ist in Sachen China eine 'loose canon'." Kritik kam auch von Grünen und aus Wissings eigener Fraktion. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte Wissing nach der Vereinbarung in den Senkel. "Bei den Dingen, die wir tun, gibt es das Prinzip, dass man Sachen gemeinsam miteinander vereinbart und sich darauf einigt, dass die Dinge auch tatsächlich passieren", sagte der Bundeskanzler am Freitag am Rande des Europäischen Rats zur neuen EU-Kommission in Brüssel. Er fügte aber hinzu: "Insofern ist es bedauerlich, dass das hier nicht geschehen ist. Aber trotzdem bleibt es bei einer klaren Strategie."

Wissings Ministerium wies die Kritik zurück: Die Absichtserklärung sei die Folge eines Kooperationsabkommens mit China zum autonomen Fahren – das in Anwesenheit des Kanzlers im April unterzeichnet worden sei. Der Entwurf sei anderen Ressorts frühzeitig zugegangen, er habe seit Mai zur Verfügung gestanden. Was darin stehe, sei eine Umsetzung im Rahmen der beschlossenen Chinastrategie, wie sie von den "Fachressorts im Rahmen ihrer Zuständigkeit verfolgt" werde, teilte das BMDV mit. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen rügte kurzerhand Kanzler und Minister scharf: Scholz agiere, als habe es die Abhängigkeit von Russland nie gegeben – und Wissing mache sich zum Lobbyvertreter einiger großer Unternehmen, so Röttgen in Social Media-Postings.

Wissing wird immer wieder als Fürsprecher chinesischer Interessen wahrgenommen – etwa in der Debatte um die Frage, ob chinesische Netzausrüster im deutschen Telekommunikationsnetz verbleiben können. Hier liegt die Hoheit über die Entscheidung allein auf Bundesebene – anders als bei der Debatte um die Absichtserklärung. Dass Wissings MoU überhaupt irgendeine Relevanz hat, ist fraglich. Im Ministerium ist das bekannt: "Eine konkrete Übereinkunft, wie der Datentransfer organisiert wird, ist damit ausdrücklich nicht verbunden" teilte das BMDV am Freitag mit.

Außer Gesprächen gäbe es für Wissing kaum konkrete Handlungsmöglichkeiten – denn zuständig sind vor allem andere Akteure. Sobald es um personenbezogene Daten aus Fahrzeugen geht, greift die europäische Datenschutzgrundverordnung. Die sieht hohe Hürden dafür vor, dass Daten von EU-Einwohnern in Drittländer zulässig sind. Die Volksrepublik wiederum hat zwar ein relativ frisches Datenschutzrecht, das in Teilen sogar fast per Copy und Paste an die DSGVO angelehnt ist.

Allerdings gibt es nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu den EU-US-Datentransfers auf absehbare Zeit keinerlei Möglichkeit für eine sogenannte Angemessenheits-Entscheidung der EU-Kommission, die eine grundsätzliche Erlaubnis für den Transfer personenbezogener Daten in die Volksrepublik enthalten würde. Denn weder die chinesischen Sicherheitsvorschriften noch die Rechtsbehelfsmöglichkeiten in China erreichen annähernd das Schutzniveau, das für einen solchen Beschluss notwendig wird. Die Gerichtsbarkeit der Volksrepublik ist systembedingt nicht frei und unabhängig in ihren Entscheidungen. Zuständig für den chinesischen E-Autohersteller BYD, UEFA-Sponsor der Fußballeuropameisterschaft, ist die niederländische Datenschutzaufsichtsbehörde, da die Europazentrale von BYD dort ihren Sitz hat.

Die Pflicht zur Kooperation mit Sicherheitsbehörden und die fehlende Justizqualität sind auch Hindernisse, wenn es um nicht personenbezogene Daten geht, die über Datenbroker laufen sollen: Mit dem erst in der vergangenen EU-Legislaturperiode verabschiedeten Data Governance Act werden auch derartige Datentransfers gesetzlich geregelt. Auch hier sind die Voraussetzungen für eine allgemeine Erlaubnis vergleichsweise hoch und durch China derzeit nicht erfüllbar. Dazu kommen die Pflichten aus dem Data Act, der ab 12. September 2025 als EU-Recht gilt – etwa zur Frage der Exportierbarkeit von Daten und der Migrierbarkeit zwischen Cloudanbietern. Hier erarbeitet Wissings BMDV derzeit einen Entwurf zur Begleitgesetzgebung im deutschen Recht.

(nie)