Die per KI lernende Verkehrsampel ist nicht immer schlauer

Google hat ein neues System mit maschinellem Lernen getestet, um Ampelschaltungen zu optimieren. Erste Ergebnisse sind vergleichsweise vielversprechend.

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Zwei Verkehrsampeln vor wolkigem Abendhimmel.

KI macht Ampeln nicht unbedingt schlauer.

(Bild: monticello/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Aus dem auf maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz beruhenden Google-Projekt Green Light, mit dem der Internetkonzern Verkehrsmuster modelliert und optimierte Ampelschaltungen vorschlägt, gibt es im Rahmen von Test-Implementierungen erste Resultate. Der Verkehr auf einigen viel befahrenen Straßen in Seattle fließt dank der Technik etwas reibungsloser, berichtet Scientific American. Eine Sprecherin des Verkehrsressorts der US-Westküstenstadt verwies gegenüber dem Wissenschaftsmagazin auf positive Erfahrungen. Green Light habe "konkrete, umsetzbare Empfehlungen" gegeben, auf Engpässe im Verkehrssystem aufmerksam gemacht und bekannte Nadelöhre bestätigt.

Google startete sein Green Light-Pilotprogramm im Herbst 2023 in Seattle und einem Dutzend weiterer Städte. Darunter ist neben einigen notorisch verstopften Metropolen wie Rio de Janeiro in Brasilien und Kalkutta in Indien auch Hamburg. Bei diesen Probeläufen verwenden lokale Verkehrsingenieure die Vorschläge des Systems, um Ampelschaltungen anzupassen. Das Unternehmen verfolgt mit der Initiative das Ziel, das Warten an Ampeln zu verkürzen, den Verkehrsfluss auf stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen und Kreuzungen zu verbessern und letztlich die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Laut Google deuten erste Zahlen auf ein Potenzial von bis zu 30 Prozent weniger Stopps an Ampel und 10 Prozent weniger CO2-Ausstoß hin.

Kern von Green Light ist ein KI-basiertes Modell jeder Kreuzung. Darin fließen ihre Struktur, Verkehrsmuster wie Fahr- und Halteperioden, die Ampelplanung und die Art und Weise ein, wie Verkehr und Signalanlagen interagieren. Basierend auf diesem Muster entwickelt das System Empfehlungen, die über eine spezielle Schnittstelle etwa an Stadtplaner weitergegeben werden können. Ein großer Vorteil des Projekts: Es kommt ohne teure, fest installierten Sensoren aus und muss vor Ort nicht ständig kontrolliert werden. Stattdessen werden vorhandene Verkehrsdaten von Google Maps zusammengetragen, die von Fahrzeugen und Smartphone-Nutzern gesammelt werden, die letztlich als "mobile Sensoren" fungieren.

Henry Liu, Leiter des Instituts für Verkehrsforschung an der Universität Michigan, betrachtet die Technik zurückhaltender. Ihm zufolge konnte zwar etwa auch in Birmingham mit Green Light die benötigte Zeit an Kreuzungen um 20 bis 30 Prozent gedrückt werden. "Es hängt alles von der Vergleichsbasis ab", erläuterte der Bau- und Umweltingenieur gegenüber Scientific American. In Birmingham etwa gebe es nur feste Ampelzeiten. Diese basierten auf Autozählungen, die seit Längerem nicht mehr aktualisiert worden seien. Auch das Klimaargument ist mit Vorsicht zu genießen: Laut offiziellen Angaben gehen nur etwa zwei Prozent aller verkehrsbedingten Emissionen in den USA auf das Konto wartender Autos und Staus. Wer mit höherer Geschwindigkeit fährt, verbraucht deutlich mehr Kraftstoff als ein wegen Rot haltendes Fahrzeug.

Erschwerende Faktoren wie sich kreuzende Bus- und Fahrradspuren, Straßenbahnen und stark frequentierte Fußgängerüberwege berücksichtigt Green Light noch nicht. Trotzdem treffen die Tipps nicht immer ins Schwarze. In Seattle nahmen die Planer eine Änderung einer Ampelschaltung zurück, weil sie im Endeffekt keinen Vorteil brachte. In Manchester, einer weiteren Pilotstadt, entschieden sich Verkehrsingenieure wiederholt, Googles Empfehlungen bewusst zu ignorieren. Ihnen zufolge sind dort Ampeln teils absichtlich so eingestellt, dass Busse Vorrang haben oder Pendler in Wohngebieten mehr Zeit einplanen müssen. Der KI-Ansatz, die Zahl der Stopps an Kreuzungen zu minimieren, sei hier kontraproduktiv. Hierzulande verärgern KI-Ampeln etwa in Essenbach und Hamm, die mit einem System von Yunex Traffic arbeiten, die Autofahrer noch ziemlich.

(nie)