Vernichtendes Gutachten gegen österreichische Mobilfunksteuer

Das Zeugnis der österreichischen Regulierungsbehörde gegen das "Sendeanlagenabgabegesetz" fällt vernichtend aus: Es verstöße sowohl gegen die österreichische Verfassung als auch EU-Recht.

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Die österreichische Regulierungsbehörde RTR stellt dem niederösterreichischen Sendeanlagenabgabegesetz ein vernichtendes Zeugnis aus. Neben unverständlichen Formulierungen und mehreren Verstößen gegen Verfassungs- und EU-Recht sei das Gesetz laut RTR (Rundfunk & Telekom Regulierungs GmbH) auch faktisch nicht geeignet, die damit verfolgten Ziele zu erreichen. Weiterhin kritisiert die Behörde unklare Bestimmungen, falsche Zahlengrundlagen und dass das Gesetz das Ortsbild beeinträchtige und Strahlenimmissionen zunähmen.

Das zweiteilige Gutachten entstand im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Dessen abschließender Teil wurde am Freitag veröffentlicht. Zuvor hatte das Land Niederösterreich eine Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen lassen. Die mit absoluter Mehrheit regierende VP NÖ will die Steuer nur dann nicht einheben, wenn zwei Drittel aller Mobilfunksender vor Jahresende abgebaut werden. Die gestaffelte Abgabe soll die Mobilfunker zu verstärkter gemeinsamer Nutzung von Senderstandorte animieren, um so das Landschaftsbild zu verbessern und Strahlenängstliche zu beruhigen.

In ihrer technisch-wirtschaftlichen Studie [PDF] räumt die Regulierungsbehörde mit falschen Annahmen auf. So sind zum Beispiel die von den Landtagsabgeordneten von ÖVP und SPÖ genannten Statistiken über Mobilfunksender und deren gemeinsame Nutzung falsch. Der RTR zufolge sind nur 48 Prozent der niederösterreichischen Makrostationen (österreichweit 35 Prozent) überhaupt auf eigens errichteten Masten montiert. Die Mehrheit befinde sich, vom Boden meist kaum sichtbar, auf Dächern oder auf bestehenden Masten (Starkstromleitungen, Bahnanlagen, Rundfunksender). Rund 40 Prozent der Standorte würden bereits von verschiedenen Netzen genutzt, obwohl dies bis 13. Januar 1999 verboten war.

Die Experten der Regulierungs-GmbH schätzen das Potenzial zur Erhöhung der Sharing-Quote gering ein. Gleichartige Netzstrukturen seien aufgrund ungleicher Frequenzen und damit unterschiedlichen Reichweiten und Signalausbreitungen, verschiedenen Backbone-Technologien (Festnetz, Richtfunk) sowie uneinheitlicher Kundenverteilung unmöglich. Selbst wenn die gemeinsame Nutzung eines Standorts netztechnisch in Frage komme, sei dies praktisch oft dennoch unmöglich: Zu den Ursachen zählen unzureichende Tragkraft von Masten, zu geringe Höhe der Masten oder zu wenig Platz auf Dachböden für die technischen Ausrüstungen. Die Anlagen von vier Netzbetreibern könnten nur jeder siebente Dachstandort und jeder zwanzigste Mast tragen.

Gemeinsam genutzte Masten müssten deutlich höher ausfallen und so das Ortsbild wesentlich stärker beeinträchtigen als mehrere kürzere Masten. Bisweilen seien derartige Höhen auch luftfahrtrechtlich unzulässig. Überdies würden viele auf einem Objekt angebrachte Sender die lokalen Strahlenimmissionen vervielfachen, was die Bevölkerung zusätzlich beunruhige. Somit würde die Abgabe nicht nur die technische Machbarkeit ignorieren, sondern auch ihre eigenen Ziele konterkarieren.

Die Höhe der Steuerbelastung würde dazu führen, dass mehr als die Hälfte der Landesfläche nicht mehr wirtschaftlich versorgt werden könne. Da die neue Landesabgabe bis zu 69 Prozent des bundesweit erwirtschafteten EBIT (Gewinn vor Steuern und Zinsen) der GSM-Netzbetreiber ausmache, würden unrentable Standorte deaktiviert -- 53 Prozent der Landesfläche seien in ihrer Mobilfunkversorgung bedroht. Steigende Tarife für die Nutzer und für Verbindungen aus dem Festnetz zu den Handynetzen seien wahrscheinlich. Am 30. Juni war der erste, juristische Teil der Expertise [PDF] erschienen. Darin wurde festgehalten, dass das Landesgesetz gleichheitswidrig sei, weil es nur Sender von Mobilfunkbetreibern besteuere und durch die Ausnahme von Sendern auf öffentlichem Grund.

Die Eile bei der Ausarbeitung des Gesetzestextes habe auch zu zahlreichen Unklarheiten geführt, die das Bestimmtheitsgebot der Bundesverfassung verletzen. "Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die [...] Sendeanlagenabgabe kaum mit dem in den Erläuterungen dargestellten Lenkungseffekt gerechtfertigt werden kann. Diese Steuer stellt sich somit als eine abstrakte und vom Lenkungseffekt losgelöste Abgabe auf Mobiltelefonie [dar]", schreiben die Juristen der Regulierungsbehörde. (Daniel AJ Sokolov) (ghi)