Verstärkte Kritik an Menschenrechtslage in China

Die Olympischen Spiele würden als Vorwand genutzt, um gegen Journalisten und Menschenrechtler vorzugehen, berichtet Amnesty. Reporter ohne Grenzen forderte die Freilassung von rund 100 inhaftierten Journalisten, Internet-Autoren und Dissidenten.

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  • dpa

Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Peking wächst die Kritik an der politischen Lage in China. Bei einer Protestaktion vor dem Hauptquartier der Olympia-Organisatoren in Chinas Hauptstadt forderten vier Mitglieder von Reporter ohne Grenzen die Freilassung von rund 100 inhaftierten Journalisten, Internet-Autoren und Dissidenten. Die Spiele ließen sich "nicht im Schatten chinesischer Gefängnisse abhalten", meinte der Generalsekretär der Organisation, Robert Ménard, bei dem Protest. "Peking hat seine Versprechen, die Menschenrechtslage zu verbessern, nicht erfüllt." Ein Dutzend Mitarbeiter ausländischer Medien, die über die Aktion berichten wollten, sei von der Polizei festgehalten und befragt worden, berichtete die Organisation.

Zum Jahrestag an diesem Mittwoch, wenn der Countdown für die Sommerspiele vom 8. bis 24. August 2008 beginnt, beklagte Amnesty International, China sei ein Jahr vor Olympia weit entfernt von einer Verbesserung der Menschenrechtslage. Zu den Kritikern Chinas sagte der Vizevorsitzende des Olympia-Organisationskomitees (BOCOG), Jiang Xiaoyu, auf einer Pressekonferenz in Peking: "Wir haben bereits viele Stimmen aus verschiedenen Lagern gehört und wir sind innerlich darauf vorbereitet, dass diese Stimmen noch lauter werden." Die Organisatoren begrüßten ausländische Medien, die "objektiv und fair" berichteten. "Wir heißen auch konstruktive Kritik über Fehler und Probleme willkommen", sagte der Vizevorsitzende. "Aber wir lehnen ganz entschieden eine Politisierung der Spiele ab."

In seinem Bericht stellte Amnesty fest, die Zahl der Hinrichtungen in China sei nach amtlichen Angaben zwar leicht gesunken, doch werde die Todesstrafe noch immer für rund 70 zum Teil minderschwere Delikte wie Steuerhinterziehung oder Drogenbesitz verhängt. Inhaftierungen ohne Anklage nähmen zu, etwa zur Umerziehung durch Arbeit und zum Zwangsentzug bei angeblich Drogensüchtigen. "Diese Maßnahmen sollen der sozialen Säuberung dienen." Betroffen sind laut Amnesty auch Kritiker von Umsiedlungen für Bauprojekte für die Olympischen Spiele. Die Spiele würden als Vorwand genutzt, um im Namen der Sicherheit verstärkt gegen Journalisten und andere vorzugehen, die sich für Menschenrechte einsetzten. Auch bleibe die nationale Pressefreiheit stark eingeschränkt. Das gelte nicht zuletzt für die massive Zensur des Internets.

Der Bericht dokumentiert zahlreiche Fälle von Hausarrest, Folter und unfairen Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtsverteidiger. Die in New York ansässige Organisation Human Rights Watch kündigte für den heutigen Dienstag einen Bericht darüber an, dass China seine 2001 bei der Vergabe der Spiele an Peking eingegangenen Verpflichtungen für die Freiheit der Medien nicht eingehalten habe. Exil-Tibeter haben zum Jahrestag mehrere Aktionen vor Botschaften Chinas in den Hauptstädten der Welt angekündigt.

Der Asiendirektor von Reporter ohne Grenzen, Vincent Brossel, sagte: "Es ist noch ein Jahr Zeit, um die Menschenrechtslage zu verbessern." Die Aktion sei der Auftakt einer einjährigen Kampagne der Organisation. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, wurde aufgefordert, die Freilassung der Journalisten und Dissidenten und ein Ende der Internet-Zensur zu erreichen.

Erst am Donnerstag vergangener Woche hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights in China (HRiC) mangelnde Fortschritte in Menschenrechtsfragen in China angeprangert. Die Behörden verschärften vielmehr die Kontrolle chinesischer Bürgerrechtler und Medien, um jeden Protest vor den Spielen zu ersticken. Anstelle eines vorolympischen "Pekinger Frühlings mit größeren Freiheiten und Toleranz gegenüber Andersdenkenden, sehen wir die Knebelung von Dissidenten, Verfolgung von Aktivisten und Versuche, unabhängige Berichterstattung zu verhindern". Die chinesische Regierung fürchte, durch die Enthüllung sozialer und politischer Probleme in eine peinliche Situation zu geraten, verstehe aber nicht, dass eine solche autoritäre Unterdrückung "noch beschämender" sei, hieß es weiter. Die Organisation nannte auch eine Einschränkung der religiösen Freiheiten und die Unterdrückung ethnischer Minderheiten in Tibet und Xinjiang.

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(dpa) / (jk)