Verwaltungsgericht Wiesbaden: Fingerabdrücke müssen in den Personalausweis

Nach einer EuGH-Ansage sieht sich das Verwaltungsgericht Wiesbaden gezwungen, eine Klage gegen das Speichern von Fingerabdrücken im Personalausweis abzuweisen.

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Ein Finger macht einen Fingerabdruck auf eine Glasplatte

(Bild: Kitreel/Shutterstock.com)

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Herber juristischer Rückschlag für Detlev Sieber von der Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat seine vor drei Jahren eingereichte Klage abgewiesen, mit welcher der Aktivist auf die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen Funkchip drängte. In Deutschland gilt die von Sieber infrage gestellte Pflicht, wonach sich Bundesbürger beim Beantragen eines neuen Ausweis mit einem Scanner Abdrücke des linken und rechten Zeigefingers abnehmen lassen müssen, im Einklang mit einer einschlägigen EU-Verordnung seit August 2021. Diese Auflage sei rechtmäßig, entschieden die Richter nun. Der Kläger werde deshalb auch nicht in seinen Rechten verletzt.

Der Bürgerrechtler begründete seinen Gang vor Gericht so: Fingerabdrücke abgeben zu müssen "fühlt sich für mich so an, wie ein Tatverdächtiger für ein Verbrechen behandelt zu werden". Er empfinde das Anlegen entsprechender Karteien als Verletzung der Menschenwürde.

Das angerufene Verwaltungsgericht legte Anfang 2022 zu dem Fall einige kritische Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Es meldete dabei erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bestimmungen an. Die deutschen Richter hielten diese für unvereinbar mit den Artikeln 7 und 8 der Grundrechtecharta zum Schutz der Privatsphäre. Jetzt sah sich die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts in ihrem am 18. Dezember ergangenen Urteil aber gehalten, den Bedenken des Klägers nicht zu folgen (Az.: 6 K 1563/21.WI). Dies teilte die Instanz am Montag mit. Zur Begründung hieß es: Man sei an das inzwischen ergangene EuGH-Urteil und insbesondere an die darin enthaltenen Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit der EU-Verordnung gebunden.

Die Luxemburger Richter hatten im März entschieden, dass die europaweite Vorschrift zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken in den Personalausweis mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vereinbar ist. Sie sei durch die Ziele gerechtfertigt, das Erstellen gefälschter Ausweise und Identitätsdiebstahl zu bekämpfen sowie die Interoperabilität der Überprüfungssysteme zu gewährleisten. Dabei würden zwar entscheidende Normen aus der Grundrechte-Charta eingeschränkt. Die Pflicht diene aber dem Gemeinwohl, wofür sie geeignet, erforderlich und zumindest "nicht unverhältnismäßig" sei.

Die EU-Verordnung sei aber auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt worden und damit ungültig, monierte der EuGH zugleich. Sie gilt seinem Urteil zufolge jedoch maximal bis zum 31. Dezember 2026 fort, damit die europäischen Gesetzgebungsgremien ein neues Gesetz auf der richtigen Rechtsbasis erlassen können.

Das Verwaltungsgericht sah sich nun nicht genötigt, den Ablauf der Frist für die Fortgeltung der Verordnung oder den Erlass einer neuen Vorgabe abzuwarten. Die Sache sei angesichts der klaren EuGH-Linie entscheidungsreif gewesen. Die Frage, ob sich der Anspruch des Klägers möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, habe im vorliegenden Verfahren keine Relevanz gehabt.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte zwischenzeitlich im Februar 2023 eine einstweilige Anordnung erlassen, wonach die zuständige Behörde der Hansestadt einem Antragsteller einen Personalausweis auch ohne die auf dem Chip zusammen mit dem biometrischen Gesichtsbild gespeicherten Fingerabdrücke ausstellen musste. Das hoheitliche Dokument sollte zunächst befristet für ein Jahr gelten, bis die Rechtslage höchstrichterlich geklärt war.

In Deutschland müssen Personen über 16 Jahren einen Personalausweis oder Reisepass besitzen. Sonst drohen Bußgelder bis zu 5000 Euro. Digitalcourage hatte gegen die umstrittene Pflicht auch ins Feld geführt, dass die Ausweise ausstellenden Behörden die biometrischen Merkmale 90 Tage lang aufheben dürften. Das erhöhe das Risiko, dass diese bei Cyberangriffen Kriminellen oder ausländischen Geheimdiensten in die Hände fallen könnten.

(nie)