Auswirkungen des "Crop"-Formats (APS-C, DX) auf Bildwirkung und Brennweitenwahl
Seite 8: Sucherqualität
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Das Fotografieren mit einer Spiegelreflex-Kamera (auch SLR oder Single Lens Reflex) lebt vom Sucher-Blick durch das Objektiv. Möglich wird dies dadurch, dass vor der Aufnahme das Bild, exakt so wie es bei der Aufnahme auf den Film beziehungsweise Sensor projiziert wird, mit Hilfe eines Umlenkspiegels auf eine Mattscheibe fällt. Dieses Mattscheibenbild betrachtet man wiederum durch eine Lupe und ein Prisma, wodurch es aufrecht und seitenrichtig erscheint.
Nun beträgt die Kantenlänge des Bildes bei einer Cropformat-Kamera nur ca. 0,65 des vollen Formates. Die Bildfläche ist beim "Vollformat" gar ca. 2,4fach größer. Und das macht sich im wahrsten Sinne des Wortes bemerkbar. Die Angaben sind gemittelt zwischen Canon-APS-C (Faktor 1,6) und Nikon DX (Faktor 1,5).
Für einen Fotografen, der aus dem Film-Bereich kommt, ist der Blick durch den Sucher einer Amateur-DSLR mit verkleinertem Aufnahmeformat recht enttäuschend. Umgekehrt sollte ein Amateurfotograf, der zum ersten Mal eine professionelle Kamera mit dem "vollen Format" vor Augen hat, überwältigt sein. Trotzdem wünschen sich heute viele Leute eigentlich eine Kamera, bei der sie gar keinen Sucher brauchen: Sie möchten das Display auf der Kamerarückseite verwenden, um zu beobachten, was sie aufnehmen. Darin äußert sich allerdings ein gravierender Mangel an Erfahrung, denn das Betrachten so eines – mittlerweile etwas mehr als streichholzschachtelgroßen – Winzbildchens kann das Erlebnis der dramatischen Dimensionen eines Sucher-Bildes niemals ersetzen.
Nebenbei bemerkt: Bei höherwertigen Kameras der Mittel- oder Oberklasse werden für die Bildumkehr echte Glasprismen verwendet, bei den Einsteigermodellen meist sogenannte Pentaspiegelprismen – das sind einfache Spiegel. Letztere ergeben ein dunkleres Bild, das unter Umständen weniger vergrößert oder mit schwächer mattierten Einstellscheiben aufgefangen wird, um es heller erscheinen zu lassen. Darunter leidet dann zusätzlich die Präzision, mit der man die Schärfentiefe beurteilen und bei Bedarf von Hand scharfstellen kann.
Die letzte Grafik stellt noch einmal die grundsätzlichen Regeln der optischen Abbildung zusammen. Sie sieht ein wenig kompliziert aus, enthält aber dennoch einige Vereinfachungen. Gezeigt werden drei angenommene "Gegenstandspunkte" auf der linken Seite (Gegenstand 1 grün, Gegenstand 2 rot, Gegenstand 3 blau) und die damit korrespondierenden Bildpunkte rechts. Aus dem unendlichen kommende parallel einfallende Strahlen würden sich hinter der Linse in einer Ebene mit dem Abstand "Brennweite" vereinigen. Je näher ein Motivpunkt sich an der Linse befindet, desto weiter entfernt hinter der Linse vereinigen sich die Strahlen. Den Abstand links nennt man "Gegenstandsweite", den Abstand rechts "Bildweite". Die senkrechte graue Linie ganz rechts mit der Beschriftung "Bildebene (Fokus)" symbolisiert die Ebene des Sensors (oder Aufnahmefilms). Durch Einstellen des Abstandes der Linse zur Bildebene wurde das rote Motivdetail "Gegenstand 2" scharfgestellt. Der weiter entfernte grüne "Gegenstand 1" wird vor dieser Ebene (näher an der Linse) in Bildpunkt 1 scharf abgebildet. Auf dem Aufnahmemedium entsteht (grün) ein relativ großer Zerstreuungskreis. Der gegenüber dem roten Gegenstand 2 nur geringfügig nähere Gegenstand 3 (blau) wird ein wenig hinter der Aufnahmeebene scharf abgebildet, in der Ebene des Sensors erscheint wieder ein (blaues) Zerstreuungsscheibchen, diesmal aber etwas kleiner. Das ist der Grund dafür, dass Motivdetails vor und hinter der eingestellten Entfernung nicht mit der maximal möglichen Schärfe abgebildet werden. Würde man annehmen, dass das kleine blaue Zerstreuungsscheibchen die gerade noch tolerierbare Unschärfe innerhalb des Bereichs der Schärfentiefe darstellt, dann ergäbe sich links (gelb dargestellt) der ungefähre Bereich der Schärfentiefe im Motivraum. Dieser ist aber meist assymetrisch und kann sich unter gewissen Umständen bis unendlich erstrecken.
Hyperfokale Entfernung
Diesen Sonderfall nennt man die sogenannte "hyperfokale Entfernung". Das ist bei einer bestimmten Blende und Brennweite diejenige Entfernung, auf die man scharfstellen muss, damit die Schärfentiefe von unendlich bis zu einem bestimmten Nahbereich (halb so weit wie diese Einstellentfernung) reicht. Sie ließ sich früher ebenfalls anhand der Schärfentiefenskala an den Objektiven ablesen. Heute haben manche Kameras entsprechende Automatiken, um per Programm ausreichende Schärfe in einem bestimmten Bereich einzusteuern.
Der Effekt der begrenzten Schärfentiefe tritt vor allem bei Nahaufnahmen in Erscheinung. Außerdem hängt er vom Maßstab der Aufnahme ab. Ein Maßstab von 1:1 bedeutet, dass das Motiv (z.B. ein Insekt) auf dem Sensor in seiner wahren Größe abgebildet wird. Bei einem APS-C-Sensor darf das Tierchen dann ca. 22 mm lang sein, um quer noch voll ins Bild zu passen. Bei Vollformat – oder auf Kleinbildfilm – dagegen stolze 3,6 cm. Aber auch schon bei Abbildungsmaßstäben bis zu 1:4 (wie sie sogenannte "Makro"-Zooms beispielsweise bieten) spielt die geringe Schärfentiefe eine große Rolle – mal ist sie willkommen, mal weniger. In der Bildreihe am Anfang des Artikels Wechselspiel: Zeit und Blende sehen Sie den Einfluss einer Blendenreihe von 2,8 bis 32 bei der Nahaufnahme von herbstlichen Blättern vor einem Bachbett. Bei weit offener Blende sind nur bestimmte Blätter oder Teile davon "scharf", also klar zu erkennen, weiter vorne oder hinten liegende Blattteile verschwimmen. Je stärker man abblendet, desto mehr dehnt sich diese Zone der "Schärfentiefe" von der Ebene, auf die eigentlich scharfgestellt wurde, nach vorne oder hinten aus. Entsprechend wird der bei voller Blendenöffnung weich und gleichmäßig verschwimmende Hintergrund (beinahe wie bei einem gleichmäßig gefärbten Hintergrundkartion im Fotostudio) um so deutlicher strukturiert, als man die Blende schließt. (cm) (cm)