Vor 61 Jahren: Der erste Peel-Shot-Film von Polaroid

Am 21. Februar 1947 stellte die Firma Polaroid den ersten Sofortbildfilm vor. Zum Ende dieses Quartals geht die Ära zu Ende.

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Von
  • Detlef Borchers

Am 21. Februar 1947 stellte die Firma Polaroid den ersten Sofortbildfilm vor. Der "Peel Shot", das Abziehbild von Polaroid-Gründer Edwin H. Land im Kreise klassischer Fotografen, wanderte um die Welt. Zum ungeraden Datum gehört die unglückliche Nachricht: zum Ende dieses Quartals stellt Polaroid die Produktion der Sofortbildfilme ein. Der Bau von Kameras wurde bereits vor einem Jahr gestoppt. Ein filmischer Rückblick mit freundlicher Genehmigung des Polaroid-Archivs.

Was ist so US-amerikanisch wie der Hamburger und Rock'n Roll? Der Peel-Shot ist es: Man zückt die kamera und knippst, der Motor schmeißt die Kamerawalze an, ein Papier wird ausgeworfen, von dem man nur ein Überpapier abpulen muss, um zu sehen, wie nach und nach das Foto erscheint. Der erste "Peel Shot" mit Edwin Land erschien 1947 als "Bild der Woche" im Life Magazine mit dem schönen Untertitel "The american way of photography".

Der erste Peel-Shot-Film von Polaroid (14 Bilder)

Der erste Peel-Shot-Film von Polaroid

Polaroids Edwin H. Land im Kreise klassischer Fotografen. (Bild: Polaroid-Archiv)

Die Geschichte des Polaroid-Films begann im Jahre 1943. "Papa, wo ist denn das Bild?", fragte die Tochter von Edwin Land, als sie fotografiert wurde. Land, ein erfolgreicher Geschäftsmann, der mit dem Verkauf von Polarisationsfiltern als Sonnenbrillen und vor allem von polarisierten Fenstern für die Aussichtswagen von Eisenbahnen sein Geld gemacht hatte, nahm die Frage ernst. Warum ist es eigentlich nicht möglich, einen Film direkt in der Kamera zu entwickeln?

Zusammen mit der genialen Chemikerin Eudoxia Woodward und dem Ingenieur Maxfield Parrish zieht sich Land in sein Labor zurück und beginnt zu tüfteln. Am 12. Januar 1944 haben Woodward und Parrish die entscheidene Idee, wie der chemische Entwicklungsprozess mit einer Walzentechnik gesteuert werden kann. Am 7. August 1944 wird das erste Polaroid-Bild erfolgreich entwickelt.

Etwas länger dauerte es, bis aus dem Prototyp der Polaroid-Kamera ein serienreifes Modell entstanden war. Als dieses schließlich im November 1948 in die Läden kam, drängelten sich die Menschen, den amerikanischen Weg der Fotografie zu beschreiten. Die erste Sofortbildkamera mit der patentierten "Pod-Technologie" verkaufte sich millionenfach, obwohl die sepiafarbenen "schwarzweiß"-Bilder eher an den Anfang der Fotografie gemahnten und wahre Freunde der Fotografie die Stirn runzelten.

Kernstück der Technik waren so genannte Pods, Beutel mit der Entwicklungsreagens, die über die Aufnahme gewalzt wurden. Die Sofortbildfotografie funktionierte so, wie heute mit dem Handy geknipst wird: Schnell mal ein Gruppenfoto, das gleich von allen betrachtet werden kann. Dafür war es schwer zu vervielfältigen, es sei denn, das nächste Foto wurde gleich hinterher geknipst.

Kaum hatte man die Schwarzweiß-Technik im Griff, machten sich Woodward und Parrish daran, die Farbfilmentwicklung zu erobern. Das erste Laborfotor gelang bereits 1950, doch bis die bekannten knalligen, wunderbar künstlichen Polaroid-Bilder gelangen, dauerte es noch einige Jahre. Aus den Erfahrungen mit der ersten Kamera wuchs der Ehrgeiz der Ingenieure, eine möglichst einfache Kamera zu entwickeln, die das Knipsen so einfach wie möglich machte. Das Ergebnis war die SX-70, die in den 70er-Jahren zusammen mit neuen Filmen im revolutionären Design die Sofortbildfotografie dominierte.

Mit ihr erreichte Polaroid in den Siebzigern eine solche Marktmacht, dass sich die Firma mit der schier übermächtigen Eastman Kodak anlegen konnte. Während Dutzende von Firmen die Sofortbildtechnik günstig lizenzierten, aber dafür nur die teuren Polaroid-Filme verwenden durften, wollte Kodak in den 50-ern selbst in die Filmproduktion von Sofortbildfilmen einsteigen. Dank des Pod-Patentes gewann Polaroid erst 1986 den bis heute längsten und wohl auch teuersten Patentprozess in der US-amerikanischen Geschichte. "Dr." Edwin Land, der die amerikanische Art des Fotografierens entwickelt hatte, wurde zur nationalen Berühmtheit. Ganz nebenbei war Land mit einem geschätzten Vermögen von 500 Millionen Dollar ein Vorläufer von Bill Gates als der reichste Selfmademan seiner Zeit.

Die Sache mit der Schnellentwicklung hatte freilich einen Haken. Auf die Chemotechnik fixiert, entwickelte man bei Polaroid für den Boom der Super-8-Amateurfilmkameras im Jahre 1977 die Polavision. Diese 8-mm-Filmkamera wurde mit einem so genannten Dufaycolor-Film bestückt – und entwickelte sich für Polaroid zum totalen Reinfall. 90 Sekunden nach dem Filmen war der Sofort-Film mit zweieinhalb Minuten Spielzeit fertig, der jedoch nicht geschnitten und nur über einen kleinen Mattscheibenprojektor gezeigt werden konnte.

Danach verpasste Polaroid schlicht die Epoche der elektronischen Speicherung auf Videobändern und konnte sich von diesem Flop nicht mehr erholen. Zuguterletzt war man auch beim Start der Digitalfotografie das Schlusslicht. Als diese Anfang der 90-er mit der QuickTake-Kamera begann, die gemeinsam von Apple und Kodak entwickelt wurde, experimentierte man bei Polaroid – ähnlich wie Sony – mit Kameras, die auf Disketten speichern sollten, komplett mit kleinen "Disketten-Druckern", die natürlich mit handelsüblichen Polaroid-Filmen bestückt werden sollten. Zum Schluss versuchte man sich an einem Handhelddrucker.

Nach dem Konkurs von Polaroid überlegten sich eine Handvoll Techniker und einige Investoren, was mit dem angesammelten Polaroid-Know-how angestellt werden kann. Heraus kam ein Startup namens Zink, das im besten Sinne die große Tradition von Polaroid fortführen will. Zink steht für Zero Ink, für Fotodruck ohne Tinte.

Wieder ist es ein besonders behandeltes Papier, das drei kristalline Schichten mit den Grundfarben der subtraktiven Farbmischung Gelb, Magenta und Cyan (Türkis) enthält. Diese Kristallschichten schmelzen (Video) bei einer bestimmten Temperatur und bilden gestochen scharfe Bilder, die abrieb- und säurefest sein sollen, wenn sie das Handy verlassen. Denn Zink will nicht das x-te Thermodruckverfahren verkaufen, sondern eine stromsparende Drucktechnik lizenzieren, die in ein iPhone, einen UMPC oder ein ähnlich kleines Gerät passt. Zink selbst will in der Tradition nur das Photopapier liefern, je nach Größe soll das Blatt zwischen ein oder zwei Dollar kosten.

Nun gibt es bereits eine Reihe von einfachen Druckverfahren für Mobilgeräte, allen voran der Druck via Bluetooth, den einige Handys und Fotodrucker beherrschen. Doch nichts sei so schön wie das Erlebnis, wenn das Foto im Stil einer Polaroid aus dem Handy "gewalzt" wird und sofort die Runde machen kann. Das behaupten jedenfalls die Vertreter von Zink. In ihrem Optimismus haben sie Anfang des Jahres eine Fabrik im US-Bundesstaat North Carolina gekauft, in der zuvor Konica Minolta Fotopapier herstellte.

Zum Herbst will Zink eine Liste namhafter Firmen zusammen haben, die den Sofortdrucker in ihre Geräte einbauen. An erster Stelle wird auf den japanischen Markt spekuliert, in dem sich die Digitalkameras einer ungebrochenen Beliebtheit erfreuen. Auch die unvermeidliche Foto-Funktion im Handy geht auf japanische Käufer zurück. Wer Fotos nicht per Multimedia-Messaging an seine Freunde verschickt, sondern ihnen ein dauerhaftes Zink-Bildchen schenkt, zeigt seine besondere Wertschätzung, ganz wie damals mit dem Überreichen eines schicken Sofortbildes. "The american way of photography" will einfach nicht enden. Das behauptet übrigens auch die Firma Adesso, die nicht nur weltweit auf Filmeinkaufsjagd gehen will, sondern sogar nach einer Firma sucht, die die Filmherstellung wieder aufnimmt. (anw)