Wahlkampf um verabschiedete Anti-0190-Verordnung

Der Bundesrat hat heute die Änderung der Telekommunikations-Verbraucherschutzverordnung zum Schutz vor Betrug mit 0190-Nummern verabschiedet.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Der Bundesrat hat heute die Änderung der Telekommunikations-Verbraucherschutzverordnung nach einem Antrag von Schleswig-Holstein verabschiedet. Die Verordnung soll laut dem vorgelegten Antrag "die Verbraucherrechte im Zusammenhang mit unerwünschter Fax-, E-Mail- und SMS-Werbung für Mehrwertdienste-Rufnummern wie 0190-Nummern sowie dem betrügerischen Einsatz von Dialer-Programmen" stärken. Sie tritt mit dem Tag ihrer Verkündigung im Amtsblatt in Kraft.

Durch die Änderungen werden Telefonnetz-Betreiber dazu verpflichtet, eine kostenfreie Service-Nummer einzurichten, bei der sich Endkunden über jenen Anbieter, der für Inhalt und Tarifierung eines Mehrwertdienstes verantwortlich ist, informieren können. Diese Service-Nummer muss künftig auf der Telefonrechnung vermerkt sein. Damit wird die bisherige Anonymität der Dienstleister aufgehoben.

Außerdem müssen Netzbetreiber, die 0190-Nummern anderen Diensteanbietern zur Nutzung überlassen, unverzüglich Maßnahmen ergreifen, falls diese Nummern rechtswidrig genutzt werden. Bei "wiederholten oder schwerwiegenden Zuwiderhandlungen" dürfen sie die Nummern sperren. Allerdings gibt es keine genaue Definition dafür, wie oft diese Verstöße vorkommen dürfen oder was als "schwerwiegend" gilt. Damit sind diese Sperrungen eine Ermessensfrage der Netzbetreiber, die am Weiterverkauf der Nummern kräftig mitverdienen.

Immerhin sieht die geänderte Verordnung vor, dass potenziell geschädigte Endkunden nunmehr gegen des Inkasso ihres Netzbetreibers Einspruch erheben können. Der jeweilige Diensteanbieter ist verpflichtet, seine Forderungen bei solcherlei Einwendungen des Rechnungsempfängers selber durchzusetzen.

Ansonsten ändert sich an der 0190-Problematik nicht viel: Zwar kann der geschädigte Kunde jetzt vielleicht bald beim Netzbetreiber oder durch die Forderung eines Diensteanbieters erfahren, wer ihm das Geld aus der Tasche zieht. Das hilft ihm aber nicht viel, wenn er sich keinen nach deutschem Recht Verantwortlichen greifen kann -- die Anbieter der so genannten Mehrwertdienste sitzen oft im Ausland und damit juristisch kaum angreifbar.

Auf Antrag des Freistaats Bayern forderte der Bundesrat heute außerdem die Bundesregierung auf, wirkungsvoller gegen 0190er-Spam vorzugehen. Bayern verlangt eine "Opt-In"-Regelung der Werbung und Inanspruchnahme von 0190-Diensten grundsätzlich zustimmen muss. Bereits bekannte "schwarze Schafe" unter den Diensteanbietern sollen von der Nummernzuteilung ausgeschlossen werden. Auch sollen nach Meinung der Bundesratsmehrheit alle Webdialer-Programme künftig bei der Regulierungsbehörde oder der Freiwilligen Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V. (FST) hinterlegt werden. Derzeit sind nach Angaben der Selbstkontrolle etwa 1.300 Programme bei der FST hinterlegt. Die FST besitzt derzeit keine Sanktionsrechte gegenüber Anbietern, die diese Programme nicht hinterlegen wollten. Einen entsprechenden Antrag hatte sie vor einigen Wochem beim Kartellamt gestellt. Hier steht das Ergebnis noch aus.

Bayern brachte erst wenige Tage vor der Entscheidung seinen Entschließungsantrag ein. Im Länderarbeitskreis hatte das Land die im Antrag formulierte Position vertreten, hieß es aus dem bayrischen Verbraucherschutzministerium. Allerdings habe man das Verordnungsverfahren mit den eigenen, weitergehenden Vorschlägen nicht blockieren wollen. Mit ihrer Bundesratsmehrheit wären die Unions-geführten Lander dazu in der Lage gewesen.

Kritiker am Verhalten Bayerns vermuten wahlkampftaktische Gründe hinter dem Manöver: Nun könne die CDU/CSU der SPD-geführten Bundesregierung eine laue Verordnung vorhalten und für die Zukunft eine bessere Lösung versprechen. In der Tat müssen sich die Unions-geführten Länder fragen lassen, warum sie weitergehende Vorschläge im Wirtschaftsausschuss vergangene Woche abgelehnt hatten. Sigrun Neuwerth, Sprecherin des Bundesverbraucherministeriums, das die Verordnung erarbeitet hatte, erkennt darin "ein typisches Verhaltensmuster des Bundesrates, der alle Verordnungen in letzter Zeit mit dem Argument blockierte, sie gingen nicht weit genug, um die Enscheidung dann auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben". (Christiane Schulzki-Haddouti) / (hob)