Weiterhin nicht totzukriegen: Visual COBOL 8.0 setzt auf Linux und Legacy-Code

Micro Focus legt eine neue COBOL-Version vor: Das Major Release von Visual COBOL 8.0 und der Enterprise Suite 8.0 soll Legacy-Anwendungen in die Cloud hieven.

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(Bild: 3Dalia / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Silke Hahn
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Marmor, Stein und Eisen bricht – aber unser COBOL nicht: Das britische Software-Unternehmen Micro Focus hat Visual COBOL 8.0 und die Enterprise Suite 8.0 veröffentlicht. Neuerungen sind unter anderem Tools für die Entwicklung von COBOL- und Mainframe-Anwendungen in Microsoft Visual Studio 2022, in Visual Studio Code und Eclipse. Version 8.0 erlaubt das Entwickeln auf der Basis von Windows Subsystem for Linux (WSL). COBOL-Anwendungen sollen sich nun mit .NET 6 modernisieren und in Windows- sowie Linux-Umgebungen bereitstellen lassen.

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Visual COBOL 8.0 kann auf moderne, relationale Datenbanken zugreifen und die COBOL-Anwendungen lassen sich in skalierbare Cloud-Architekturen verschieben. Das aktuelle Release ist Micro Focus zufolge mit dem von AWS Anfang Juni 2022 angekĂĽndigten Mainframe-Modernisierungs-Service kompatibel und es bietet Anbindung an die ĂĽblichen Public-Cloud-Anbieter wie Azure, AWS und Google Cloud.

Die Enterprise Suite 8.0 enthält eine Linux-basierte Version von Enterprise Developer für Eclipse und ermöglicht Entwicklungs- sowie Bereitstellungs-Pipelines auf allen unterstützten x86-Linux-Distributionen. Für PostgreSQL enthält sie neue Host-Optionen, die die Kompatibilität sicherstellen, und die neue Version soll das Bereitstellen von DB2-Daten auf PostgreSQL und AWS Aurora beschleunigen. Zudem enthält die Suite eingebetteten Host-Zugang für den Cloud-TN3270-Emulator, der einen browserbasierten Zero-Footprint-Client bereitstellt. Der Emulator ist in den Enterprise-Developer- und Server-Produkten enthalten.

Die Software des Anbieters ermöglicht es IT-Teams, COBOL- und Mainframe-Anwendungen für die Bereitstellung in der Cloud und den digitalen Einsatz zu modernisieren. Bestehende Anwendungen, die in COBOL geschrieben sind, können somit weiterhin in Betrieb bleiben. Die Briten setzen auf Stabilität und kündigen an, durch künftige Aktualisierungen den Einsatz von Kerngeschäftssystemen in COBOL (und auf dem Mainframe) noch auf viele Jahre hinaus zu gewährleisten. Zusätzlich zur Software bieten sie Kundenbetreuung für das Bereitstellen von COBOL-Anwendungen in Containern und in der Cloud.

Eine Umfrage von Micro Focus im Frühjahr 2022 hat ergeben, dass der Markt für COBOL-Modernisierung deutlich größer ist als bisher angenommen. Dass COBOL sich in die Gegenwart retten konnte, liegt wohl daran, dass es für Unternehmen kompliziert und teuer ist, etablierte und historisch gewachsene Systeme auszutauschen. Firmen wie IBM, Micro Focus und Compuware bieten COBOL-Produkte an und haben in den vergangenen Jahren auf Migrationsszenarien gesetzt sowie das Design der grafischen Oberflächen zeitgemäß aktualisiert. Die Sprache scheint nach wie vor in Unternehmen wie Banken und in einigen Behörden verbreitet zu sein und ist offenbar nicht totzukriegen, obwohl sie 2019 ihren 60. Geburtstag feierte. Nach wie vor werden COBOL-Anwendungen eher modernisiert als ausgetauscht.

Micro Focus stellt seit über 40 Jahren Software für die Modernisierung von Anwendungen, Prozessen und Infrastruktur bereit und gilt als Spezialist für die Programmiersprache COBOL, die mittlerweile ihren 60. Geburtstag hinter sich hat. IT-Profis scherzen mitunter, dass COBOL-Entwickler überwiegend im Beinhaus zu finden seien (ganz so schlimm ist es wohl nicht, im Heise-Forum melden sich aktive COBOL-Programmierer regelmäßig zu Wort).

COBOL ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr im regulären Lehrplan von IT-Fachbereichen vertreten. In bestimmten Branchen sind COBOL-Kenntnisse dennoch weiterhin notwendig – allerdings werden die darin aktiv Bewanderten (unter den aktiv Erwerbstätigen) schon aus Altersgründen weniger. Das Missverhältnis zwischen Lehrplanangebot und Nachfrage sorgt seit Jahren wiederholt für Gesprächsstoff. Im Zuge der Corona-Pandemie war die 60 Jahre alte Programmiersprache COBOL besonders in den USA durch weiterhin starke Verbreitung in Behörden stärker gefragt gewesen, und die Nachfrage nach Programmierern mit Kenntnissen in dieser eigentlich veralteten und eng mit der Verbreitung der IBM-Mainframe-Systeme der 1970er-Jahre verbundenen Sprache stieg. Erfahrene COBOL-Programmierer mussten damals aus dem Ruhestand geholt werden.

Profis mit Kenntnissen der Sprache sind wegen zahlreicher Legacy-Anwendungen unter anderem im Finanzbereich gefragt. Laut Reuters basierten vor vier Jahren noch immer über 40 Prozent der Systeme im Bankwesen in den USA auf COBOL, bei Transaktionen über Geldautomaten (ATM Swipes) basierten wohl sogar 95 Prozent auf COBOL-Code. In Behörden, die in den 1970er-Jahren bei IBM Mainframe-Systeme eingekauft hatten, ist die Sprache ebenfalls tendenziell noch relevant, wie zum Beispiel bei den US-amerikanischen Arbeitsämtern. COBOL-Anwendungen werden derzeit sogar in die Cloud gehievt, daher dürfte die Programmiersprache auch in den kommenden zwei Jahrzehnten weiterhin eine Rolle spielen.

Weitere Hinweise zum Release lassen sich dem Blogeintrag entnehmen. Ausführlichere Informationen zu Visual COBOL 8.0 stehen auf der Micro-Focus-Website bereit, und für die Enterprise Suite 8.0 hat Micro Focus eine eigene Website eingerichtet. Ansonsten ist eine Vereinigung namens "COBOL Cowboys – Professionals for Legacy COBOL Systems" eine Anlaufstelle für Notfälle.

(sih)