Wenn Pixel lügen: Bildoptimierung oder Fälschung?

Seite 3: Recht und Kodex

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Im Pressekodex des Deutschen Presserats heißt es: "Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden." Wer wissentlich manipulierte Bilder veröffentlicht, muss diese mit einem [M] kennzeichnen.

Bilder fälschen ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann außer arbeitsrechtlichen auch zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben. Bei schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts beispielsweise hat der Betroffene Anspruch auf Schadenersatz. Zudem muss die Zeitung sich in einer Unterlassungserklärung verpflichten, dieses Bild nicht wieder zu veröffentlichen, erklärt Benno H. Pöppelmann, Justiziar des Deutschen Journalistenverbandes, gegenüber c't.

Welches Baby hätten´s denn gern? Teils Wochen vor der Geburt wurde die monegassische Prinzessin Stéphanie mit Baby im Arm abgebildet. Das Bild ist Teil der Wanderausstellung "Bilder, die lügen".

So erwirkte beispielsweise der ehemalige Telekom-Chef Ron Sommer vor dem Bundesverfassungsgericht ein Bilderverbot gegen die "Wirtschaftswoche" [3]. Das Magazin hatte eine satirische Fotomontage von Sommer abgedruckt. Dabei wurde sein Kopf auf den Körper eines Models montiert sowie seine Gesichtszüge – für den Betrachter nicht erkennbar – nachteilig verändert: Der Kopf wurde gestreckt, die Wangen wirkten fleischiger und breiter, das Kinn fülliger, der Hals kürzer und dicker, die Hautfarbe blasser als in Wirklichkeit, so die Anwälte des Bildbearbeitungsopfers.

Der BGH hatte entschieden, dass Sommer die "in eine satirische Darstellung gekleidete Meinungsäußerung" hinnehmen müsse, das Verfassungsgericht hingegen sah die Persönlichkeitsrechte verletzt: "Fotos suggerieren Authentizität, und der Betrachter geht davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht", betonten die Karlsruher Richter. Dies treffe bei einer Bildmanipulation, die das Aussehen des Gesichts verändere, nicht zu.

Fliegt ein manipulativer Fotograf auf, beendet die Zeitung oder Agentur in der Regel das Arbeitsverhältnis, wie im Falle des LATimes-Reporters Walski, zudem kann die Zeitung Schadenersatzansprüche geltend machen oder ihn gar wegen Betrugs anklagen, so Pöppelmann. Bisweilen dürfte es schwierig sein, den Urheber eines manipulativen Fotos zu belangen: beispielsweise wenn es sich um Propagandamaterial handelt. Eine Zeitung, die selbst politische Fotos manipuliert, ohne Persönlichkeitsrechte zu verletzen, riskiert eine Rüge des Presserates, muss aber in der Regel keine straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen befürchten.

Allein die Wahl des Bildausschnitts kann die Bildaussage komplett verändern. Das Bild des irakischen Soldaten, umgeben von amerikanischen Soldaten, im Irak-Krieg 2003 ist Teil der Ausstellung "Bilder, die lügen".

Schlechte Fakes wandern dank leistungsfähiger Algorithmen sofort in den Shredder, den Rest filtert das Adlerauge des Bildredakteurs. Sieht so die heile, fälschungsbefreite Zukunft aus? In den Augen von dpa-Sprecher Justus Demmer sind handfeste Manipulationen nicht das größte Problem. Politisch relevante Retuschen flögen ohnehin auf und wegretuschierte Schweißflecken sind in seinen Augen nicht der Rede wert. Viel mehr manipulativen Charakter sieht er in der inszenierten Wirklichkeit, beispielsweise bei politischen Großereignissen wie dem G8-Gipfel in Japan. Hier sei exakt gesteuert worden, welche Leute wo hindürfen und wo nicht. Auch aus dem Irak-Krieg bekam man lediglich die US-amerikanisch gefilterten Eindrücke der Ereignisse zu Gesicht, die von "Embedded Journalists" verbreitet wurden.

Und Oliver Deussen beschreibt in seinem Buch "Bildmanipulation" [4] eindrucksvoll, wie allein die Anwesenheit des Fotografen die vermeintliche Wirklichkeit erst heraufbeschwört oder zumindest verfälscht: Ein bekanntes Bild des Fotografen Eddie Adams zeigt die Hinrichtung eines Vietcongs, den der Polizeichef vermutlich erschoss, weil er wollte, dass dies dokumentiert wird.

Lesen Sie hierzu auch: Pixelsezierer - Algorithmus jagt Fälscher

Literatur

[1] Wanderausstellung "Bilder, die lĂĽgen"

[2] Fotos von Brian Walski

[3] Spiegel Online, Karlsruhe verbietet Bildmanipulation

[4] Oliver Deussen, Bildmanipulation, Wie Computer unsere Wirklichkeit verzerren, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 (tho)