Wie sich Deutschlands Raumfahrt im All behaupten will

Seite 2: Geschäftsmodelle gesucht

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Raumfahrtkoordinator Jarzombek sieht die Probleme – auch angesichts eines sehr dynamischen US-Marktes. "Wir müssen als Deutsche echt Gas geben, damit wir nicht den Zug verpassen." Dafür sei zentral: "Es müssen Geschäftsmodelle dabei herauskommen." Auf die Fertigung von Einzelstücken müsse eine industrielle Produktion folgen, die Wachstum generiere. Der Staat wolle dies unterstützen. Für Jarzombek heißt das: "Aufträge nicht nur an die Großen vergeben, sondern auch an die, die groß werden wollen", also: Start-ups fördern.

Einer von jenen, die in Deutschland groß werden wollen, sind die PTScientists. Das Start-up aus Berlin-Marzahn arbeitet seit 2008 mit inzwischen rund 70 Mitarbeitern an hochfliegenden Mond-Plänen. "Wir glauben, dass wir in einer Lunar Economy angekommen sind. Dafür wollen wir Infrastruktur anbieten", sagt Unternehmenssprecher Andreas Schepers. Soll heißen: Das Unternehmen will mit dem Mond Geld verdienen. Ziel sei, regelmäßige Transporte zum Mond anzubieten und etwa ein LTE-Funknetzwerk auf dem Trabanten aufzubauen.

Dafür hat die Firma Partner an Land gezogen. Für künftige Transporte zum Mond hat PTScientists eine Vereinbarung mit dem europäischen Raketenbauer Ariane getroffen: Ariane stellt die Rakete, PTScientists baut "Alina", ein Raumschiff, das auf dem Mond landen und 300 Kilo Ladung mitnehmen soll. Mit Hilfe des Mobilfunkanbieters Vodafone soll "Alina" die erste LTE-Antenne auf dem Mond werden.

Mit dem Autobauer Audi entwickelt die Firma einen Rover, der auf der Mondoberfläche Arbeiten verrichten und mit "Alina" per LTE kommunizieren soll. Für den Jungfernflug, der für 2021 geplant ist, hat sich das Start-up ein symbolträchtiges Ziel ausgesucht: die "Apollo-17"-Landestelle, wo 1972 die letzte bemannte US-Mission gelandet war. 120 Millionen Euro gibt PTScientists als Hausnummer dafür an, Entwicklungskosten und Start – mit einer Rakete von SpaceX – eingeschlossen. Wie viel von der Finanzierung steht, ließ das Unternehmen zunächst offen. Die Branche schaut gespannt auf das Projekt der Tüftler an der Spree.

Trotz aller Begeisterung halten Experten den Plan, schon 2021 zu fliegen, für ambitioniert. Raumfahrt sei ein langsames Business. Marco Fuchs, der neben seiner Rolle beim BDLI auch Chef des Bremer Raumfahrtunternehmens OHB ist, glaubt nicht an schnelles Geld in einer "Lunar Economy". "Mit Mondflügen verdienen Sie kein Geld. Das macht man aus ideellen oder Prestigegründen", sagt er. Klar könnten staatliche Raumfahrtagenturen Flüge zum Mond buchen und finanzieren, aber solange es keinen privaten Verkehr zum rund 380.000 Kilometer entfernten Erdbegleiter gebe, bleibe der Markt überschaubar. Daher setzt OHB nicht auf das Hinfliegen, sondern auf Anwendungen.

"Wir wollen nützliche Geräte auf den Mond bringen, damit man dauerhaft dort bleiben kann", sagt Fuchs. Als "Juniorpartner, Zulieferer, Mitmacher" kümmere sich OHB etwa um die Aufbereitung von Wasser und Sauerstoff und entwickle lebenserhaltende Systeme. 2014 hatte OHB eine selbstentwickelte Sonde in Kooperation mit einer chinesischen Mission zum Mond geschickt. Dabei sei es für die Bremer aber um nichts gegangen, sagt Fuchs. Lediglich ein paar Millionen Euro machten die Investitionen von OHB im Mondgeschäft insgesamt aus, sagt Fuchs – bei rund einer Milliarde Euro Umsatz. "Unser Geld verdienen wir mit Satelliten, die um die Erde fliegen und Nutzen stiften sollen." Für Deutschland sei der Mond letzten Endes vor allem aus Forschungssicht ein spannendes Ziel.

Diese Einschätzung teilt das DLR. Es gebe viele Wissenschaftler am DLR und an den Universitäten, die zum Mond forschten, sagt Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des DLR. Für die Forschung sei es wichtig, neue Proben zur Erde zu bringen: kein Oberflächenmaterial wie damals bei "Apollo", sondern Proben aus dem Inneren. "Wir hätten gerne einen Rover, der größere Strecken zurücklegen kann", sagt Jaumann. "Vor allem robotische Missionen sind in den kommenden Jahren vorstellbar", sagt auch Volker Schmid vom DLR-Raumfahrtmanagement. Neben dem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen sieht er einen politischen Vorteil im Mond-Engagement. Denn schon die Zusammenarbeit auf der Internationalen Raumstation (ISS) sei friedenstiftend. "Der Schritt zum Mond kann dazu führen, dass der Mensch ein Stück weit erwachsener wird. Denn Kooperation ist die einzige Möglichkeit, im All dauerhaft Fuß zu fassen." (anw)