Wo bleiben die ARM-Netbooks?
Seit über einem Jahr sind Mini-Notebooks mit ARM- statt x86-Prozessoren auf jeder Computermesse zu sehen, doch kaufen kann man (fast) noch keins.
Wären die Pläne des britischen Prozessorentwicklers ARM aufgegangen, so müsste man mittlerweile eigentlich eine ganze Reihe besonders billiger, kleiner, leichter und lange mit Akkustrom laufender Notebooks kaufen können, die ohne x86-Prozessoren und Windows auskommen. Doch bis auf wenige Exoten und Nischenmärkte – in Spanien offeriert die Telefongesellschaft Telefónica mittlerweile das HP Compaq Airlife 100 ab 229 Euro mit Mobilfunkvertrag – sind die anderswo auch Smartbooks genannten Netbooks mit ARM-Prozessoren noch nicht zu bekommen.
Einige Marktbeobachter unken bereits, das iPad und die von ihm ausgelöste Welle konkurrierender Tablets mit ARM- und Atom-Prozessoren könnten den ARM-Netbooks den Garaus machen, bevor sie überhaupt loslegen. Auch das Geschäft mit den "eigentlichen" Netbooks, also Mini-Notebooks mit Windows 7 Starter Edition und Intel Atom, dürfte unter einem Erfolg der Tablets leiden: Nach heutigen Maßstäben ist der Atom lahm, auch Arbeitsspeicher, Bildschirmgröße, Geräteausstattung und die Beschränkungen des Betriebssystems verlangen Kompromisse. Netbooks sind deshalb kein vollwertiger Notebook- oder PC-Ersatz, sondern punkten vor allem mit niedrigem Preis, geringem Gewicht und im Vergleich dazu langer Akkulaufzeit. Sie glänzen also als mobile Web-Zugriffsgeräte, wie es der von Intel geschaffene Kunstbegriff Netbook auch andeutet. Genau für diesen Zweck sowie für den Konsum digitaler Medien sind aber auch die meisten der zurzeit angekündigten Tablets gedacht.
ARM-Netbooks zielen ebenfalls auf diesen Einsatzbereich; als Betriebssysteme sind durchweg spezielle Linux-Varianten oder Android geplant. Sofern man überhaupt technische Details über noch nicht lieferbare ARM-Netbooks erfährt, sollen sie auf Festplatten wohl verzichten; eine Installation von herkömmlichen Linux-Programmen durch den Besitzer ist nicht vorgesehen, stattdessen gibt es Apps, beispielsweise aus dem Android Market. Damit sind ARM-Netbooks eine grundlegend neue, bisher unbekannte Gerätekategorie, bei deren Verkauf an breite Käuferschichten die jeweiligen Händler Neuland betreten müssen. Einige der potenziellen Hersteller – außer Auftragsfertigern wie Compal, Inventec, Pegatron oder Wistron etwa auch Asus oder eben HP – streben daher vor allem Partnerschaften mit Mobilfunkfirmen an.
Doch offenbar kommt das Geschäft nicht so recht in Gang; möglicherweise tun sich die potenziellen Verkäufer damit schwer, einen optimalen Einsatzbereich für ARM-Netbooks zu definieren und dafür die richtige Ausstattung festzulegen – davon hängen dann ja letztlich die Verkaufspreise ab. Anscheinend gibt es aber auch noch technische Probleme. Dem britischen ZDNet erklärte ARM-Vertriebschef Ian Drew, dass Verzögerungen bei der Implementierung von Adobe Flash (vermutlich meint er Flash 10.1, welches unter anderem Hardware-Beschleuniger zur Videowiedergabe einbinden können soll) dazu beigetragen hätten, dass es noch keine ARM-Netbooks und auch nur wenige Tablets zu kaufen gibt. Da mutet es geradezu ironisch an, dass der Browser des bisher erfolgreichsten ARM-Tablets, des Apple iPad, Adobe Flash nicht unterstützt.
(ciw)