Wurm Sasser beschäftigt Gericht

Gut ein Jahr nachdem Sasser sich verbreitete, beginnt der Prozess gegen den vermutlichen Autor des Computerschädlings, der einen Fehler im Local Security Authority Subsystem Service (LSASS) von Windows ausnutzte.

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Von
  • Vera Jansen
  • dpa

Vor gut einem Jahr trieb der Computerschädling Sasser sein Unwesen im Internet. Weltweit infizierte der Wurm Computer und legte ganze Systeme lahm. Sasser entwickelt haben soll ein damals 18-Jähriger aus Waffensen im Kreis Rotenburg/Wümme in Niedersachsen. Am 5. Juli beginnt der Prozess gegen ihn vor dem Verdener Landgericht. Die Anklage lautet auf Vergehen der Datenveränderung, Computersabotage und Störung öffentlicher Betriebe. Verhandelt wird nach dem Jugendstrafrecht. Die Sitzungen sind nicht öffentlich.

Drei Verhandlungstage hat das Gericht festgelegt. "Wenn der Angeklagte auch im Prozess geständig ist, wird es ein kurzes Verfahren", sagte die Sprecherin des Landgerichts, Katharina Krützfeldt. Die Zeugenliste ist zwar mehrere Seiten lang, doch wurden zunächst nur fünf Zeugen geladen. Bei jedem Prozesstag wird ein Diplom-Informatiker als Sachverständiger dabei sein. Welche Strafe am Ende für den jetzt 19 Jahre alten Jugendlichen herauskommt, bleibt abzuwarten.

Nach dem Strafgesetzbuch droht Erwachsenen für diese Vergehen eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Im Jugendstrafrecht geht es dagegen mehr um Erziehung. "Deshalb muss das Gericht die Strafe so bemessen, dass eine erzieherische Wirkung auf den Jugendlichen noch möglich ist", sagt Krützfeldt. Eine Gefängnisstrafe dürfe nur verhängt werden, wenn beim Täter schädliche Neigungen vorlägen und leichtere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichten oder die besondere Schwere der Schuld gegeben sei.

Aufgeflogen war der Computer-Freak im Mai 2004 durch einen Tipp aus seinem Bekanntenkreis. Er ist mit Computern quasi aufgewachsen. Seine Eltern haben ein Computer-Service-Geschäft. Bei der Hausdurchsuchung stellten die Ermittler umfangreiches Beweismaterial sicher. Der Polizei gestand der Sasser-Erfinder seine Tat. Sein Verteidiger Rechtsanwalt Jens Möwe rechnet mit einem kurzen Verfahren. "Ich gehe davon aus, dass wir am dritten Tag fertig sind." Sein Mandant werde sein Geständnis vor Gericht wiederholen. Das Strafmaß werde sicher davon abhängen, welche Schäden tatsächlich entstanden sind. "Eine Wiederholungsgefahr sehe ich bei ihm nicht, er hat seine Lektion gelernt."

Die Staatsanwaltschaft Verden hat einen Schaden von rund 130.000 Euro ermittelt. Allerdings wird weltweit mit einem Schaden von mehr als einer Million Euro gerechnet. Eine ganze Reihe großer und global agierender Unternehmen waren betroffen. Unter anderem musste die US-Fluggesellschaft Delta Airlines wegen Computerproblemen zahlreiche Flüge streichen. Bei der Europäischen Kommission waren mehr als tausend PCs ausgefallen; auch T-Online beispielsweise war betroffen. Der weltgrößte Softwarehersteller Microsoft bot ein "Kopfgeld" in Höhe von 250.000 Dollar für die Ergreifung des Virenschreibers an. Die Geschädigten können ihre Ansprüche in einem gesonderten Zivilverfahren geltend machen. Nach Angaben von Möwe sind einige Verfahren beim Amtsgericht Verden anhängig. Es gebe aber noch keine Urteile und, fügt Möwe hinzu: "Es ist bei dem Jungen nichts zu holen."

Hintergrund: Jugendstrafrecht

Das Jugendstrafrecht (Jugendgerichtsgesetz, JGG) in der Fassung vom 11. Dezember 1974 regelt ein Strafverfahren mit spezifischen Rechtsfolgen für Jugendliche. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zum Verfahren gegen Erwachsene. So geht es mehr um Erziehung und nicht so sehr um Bestrafung. Für Jugendliche, die zum Zeitpunkt der Tat 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind, gilt das JGG uneingeschränkt.

Die Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts gelten im JGG grundsätzlich nicht. Im Vordergrund steht die Persönlichkeit des Täters und nicht die Auswirkung der Tat wie im allgemeinen Strafrecht. Es geht dabei immer zuerst um die Erziehungsdefizite des Jugendlichen und deren Ausgleich. Das JGG regelt deshalb besondere Rechtsfolgen und trennt zwischen Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe.

Härteste Maßnahme ist die Jugendstrafe, die nur unter besonderen Voraussetzungen verhängt werden darf. Laut JGG müssen "schädliche Neigungen" beim Täter vorliegen, die leichtere Erziehungsmaßnahmen als nicht ausreichend erscheinen lassen. Oder es muss eine besondere Schwere der Schuld gegeben sein.

Die Dauer der Jugendstrafe beträgt 6 Monate bis 5 Jahre. Für Verbrechen, für die das allgemeine Strafrecht mehr als 10 Jahre vorsieht -- beispielsweise für Mord -- beträgt sie ausnahmsweise bis zu 10 Jahre. Das Gericht muss die Strafe aber immer so bemessen, dass eine erzieherische Wirkung auf den Jugendlichen noch möglich ist. Bei der Urteilsfindung müssen zudem das Verhalten und die Entwicklung des Täters nach der Tat, die während des Prozesses gewonnenen Eindrücke und die Sozialprognose des Jugendlichen berücksichtigt werden. (Vera Jansen, dpa) / (jk)