Zahlen, bitte! 2,75 Billiarden – vom Skat und dem Zufall

Seite 2: 10.000-mal mischen?

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Um beim Überhand-Mischen eine zufriedenstellende Durchmischung aus mathematischer Sicht zu bekommen, müsste man schon 10.000-mal mischen, so hat es schon vor dreißig Jahren Persi Diaconis, Mathematik-Professor an der renommierten Stanford University, für ein Poker-Deck mit 52 Karten abgeschätzt. Diaconis kennt sich mit Karten und Kartentricks aus, er hatte zuvor nämlich professionell als Zauberkünstler gearbeitet und viele neue Kartentricks ausgetüftelt. Sein Kollege von der Pennsylvania University, der amerikanische Kombinatorik-Professor Robin Pemantle hat dann das Überhandmischen mathematisch noch genauer untersucht. Mit seinem Modell mit einer angenommenen diskreten Binomialverteilung der Schnittpunkte kam er bei einem feinkörnigen Mischen von etwa 2 Karten pro Paket (p=1/2) auf 1000 bis 3000 Mal, bis eine zufriedenstellende Durchmischung erreicht war.

Das müsste doch all die Leute am Skattisch verstummen lassen, die immer wieder was von "totmischen" oder "dem Denkmal in Altenburg" einwerfen. Skatfreunde mit ihren 32 Karten haben es zwar ein bisschen leichter als die Poker-Kollegen, aber auch hier bräuchte man mindestens 300 Mischvorgänge, denn die mathematisch gesicherte Untergrenze geht beim Pemantle-Modell mit n2log(n).

Tatsächlich variierte das bis heute immer wieder herangezogene Pemantle-Modell zum Überhandmischen für ein 52-Karten-Deck zwischen der Untergrenze von 35 und der Obergrenze von 370.000.000.000 Durchgängen. Obige Zahlen entstammen dann auch nicht den mathematischen Abschätzungen, sondern einer numerischen Computer-Simulation mit Millionen von Mischungen. Mathematiker wie der schwedische Professor Johan Jonasson arbeiten hart daran, mit neuen Erkenntnissen über die sogenannten Markow-Ketten die mathematisch gesicherten Grenzen weiter zu präzisieren. Laut Jonasson liegt die Untergrenze von n Karten mit Schnittpunktwahrscheinlichkeit p bei

Der erwähnte Persi Diaconis schaffte es 1990 sogar auf die Titelseite der New York Times mit seinen Ergebnissen zum Riffle Shuffle, wie es beim Pokerspiel üblich ist. Denn beim normalen Riffeln reichen nach seinen Ergebnissen schon 7 Durchgänge für eine hinreichend gute Durchmischung des 52-Karten-Decks. Das ist die Mindestzahl, besser sind aber 8 oder 9 Durchgänge oder genauer: 3/2*ld(n) Durchgänge. Das zugrundeliegende Riffle-Misch-Modell wurde schon in den 50er-Jahren von Gilbert, Shannon (ja, der berühmte Vater der Informationstheorie), und Reeds entwickelt, es heißt seitdem GSR-Modell. Bei diesem Modell ändert sich die Wahrscheinlichkeit, dass beim Verzahnen die nächste Karte aus der gleichen Hand kommt, in Abhängigkeit von den verbleibenden Größen a und b der beiden Teilstapel zu a/(a+b) beziehungsweise b/(a+b) für einen Wechsel.

Als Maßstab für ein gutes Durchmischen nehmen die Mathematiker zumeist den Variationsabstand zur Gleichverteilung, den man aus der Anzahl aufsteigender Sequenzen in der Verteilung bestimmen kann. Ein Abstand von weniger als 1/2 gilt als Maximalwert für eine gute Durchmischung. Wer es genauer wissen will, kann das in den Veröffentlichungen von Pemantle, Diaconis oder Jonasson nachlesen, doch die sind nur mathematisch recht gut vorgebildeten Lesern zu empfehlen. Es gibt jedoch einen schönen Bericht zu diesem Thema der Didaktiker an der Humboldt-Universität, der die Grundlagen bis hin zu den Markow-Ketten gut erklärt und nebenbei sogar zeigt, wie man das Riffle-Mischen für Kartentricks gebrauchen kann.

Der Varianzabstand beschreibt die Qualität einer Durchmischung. Beim Riffeln liegt er nach 7 Durchgängen unter dem maximal akzeptierten Wert von 1/2.

Auf Skat reduziert ergibt das dann ebenfalls mindestens 7 Riffle-Durchgänge. Für Skatspieler sind aus meiner Sicht allerdings eher zwei andere Kriterien der Durchmischung bedeutsamer als der Variationsabstand, nämlich die "Klebrigkeit" und die "Farbverteilung", beides im Vergleich zum Ausgangsstapel. Die Klebrigkeit gibt an, wie viele benachbarte Karten des Ausgangsstapels am Ende des Mischens immer noch benachbart sind. Und die Farbe der Kartenverteilung gibt Aufschluss über die allgemeine Lage der Karten, etwa ob Karten, die weiter unten liegen, nach einer geraden Zahl von Überhandmischungen immer noch unten liegen.

Der Informatiker Rick Wicklin hat nicht nur übersichtlichen Sourcecode für die Simulation von Überhand und Riffle (in SAS/Iml) in seinem Do-Loop-Blog veröffentlicht, sondern die erwähnten Farbverteilungen schön übersichtlich in Heatmaps dargestellt. Da sieht man auf den ersten Blick, dass Karten, die anfangs in der unteren Stapelhälfte lagen, selbst nach vielen, vielen (aber einer geraden Anzahl von) Mischvorgängen immer noch mit großer Wahrscheinlichkeit unten sind. Bei ungeraden Anzahlen wärs genau invers.

Abheben und Geben beim Skat bringen das zwar noch etwas durcheinander, für einen geübten Profi aber durchaus nachvollziehbar. Dessen Job ist aber nicht gerade einfach: Er oder sie müsste das Einsammeln der Karten beobachten, das Mischen (gerade oder ungerade Anzahl der Mischdurchgänge, grob oder feinkörnig), das Abheben abschätzen und anhand der eigenen Karten dann die Wahrscheinlichkeiten bei den anderen bestimmen.

Die Heatmap zeigts deutlich, beim Überhandmsichen ist nach einer geraden Anzahl von Durchgängen selbst nach 40 Durchgängen von einer echten Durchmischung nichts zu sehen.

(Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Rick Wicklin )

Beim Riffle-Mischen sieht es schon nach wenigen Durchgängen schön durchmischt aus.

(Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Rick Wicklin )

Weit einfacher verhält es sich mit der Klebrigkeit, die durch Abheben und Geben nur mäßig verändert wird. Gute Skatspieler wissen, dass Karten, die im letzten Spiel in einem Stich lagen, mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder in einer Hand liegen. Beim Grand etwa fallen relativ häufig drei Buben aufeinander. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler im nächsten Spiel mit drei oder mehr Buben gesegnet ist, je nach Mischart mitunter deutlich höher. So erhöht ein Grand mit positiver Kooperativität die Wahrscheinlichkeit für einen Folge-Grand.

Riffelt oder wuselt aber der Geber, kann sich der aufmerksame Beobachter diese Arbeit im Regelfall schenken. Es sei denn, er gibt selbst, dann sind noch diverse andere Tricks möglich. Richtig gute Kartenkünstler etwa können wie ein Uhrwerk so präzise riffeln, dass ein Skatstapel nach 5 Durchgängen genau invertiert ist und sich nach 10 wieder in der Ausgangslage befindet. Ähnliches Scheinmischen können Geübte auch mit anderen Mischverfahren hinbekommen. Bekannt ist etwa Clumsy False Shuffle – so heißt eine Schummeltechnik mit größeren verzahnten Paketen, die man sich auf Youtube in verschiedenen Clips anschauen kann.

Johan Jonasson hat inzwischen das GSR-Modell dahingehend erweitert, dass die Wahrscheinlichkeit, dass aufeinanderfolgende Karten aus verschiedenen Händen kommen, größer wird (Dealer Shuffle) oder wegen zunehmender Klebrigkeit der Karten geringer (Clumsy Shuffle).