Zahlen, bitte! 2,75 Billiarden – vom Skat und dem Zufall

Seite 3: Computer-Mischer ... und der TÜV

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Dann gibt es noch die Mischmaschinen, allen voran die Computer, sei es in den Skat-Programmen oder in den Skat-Servern. Zumeist wird hier mit mehr oder weniger guten Zufallsgeneratoren gearbeitet.

Der Online-Anbieter spiele-palast hat sein Mischverfahren vom TÜV Rheinland analysieren lassen und ging dabei kein Risiko ein, denn er verwendet gut erforschte Algorithmen: den Pseudo-Zufallsgenerator Mersenne-Twister 19937 und den einst von Donald Knuth publik gemachten Fisher-Yates-Algorithmus zum Erzeugen zufälliger Permutationen. Da hatte es der TÜV einfach: Diese Algorithmen gelten nicht nur informationstheoretisch als unbedenklich, sie ermöglichen auch weit schnellere Mischungen als die mitunter aufwendige Simulation menschlicher Mischtechniken.

Auf der anderen Seite kann das mathematisch unvollkommene Mischen ja gerade einen zusätzlichen Reiz des Skatspielens ausmachen. Manches Skat-Programm, etwa die Android-App Skat-App bietet daher auch eine realistische Simulation des Überhandmischens an. Das gehört nicht nur zu einem echten Skatspiel dazu, sondern hat zudem den positiven Seiteneffekt, so Jan Heppe, Betreiber von Skat-Spielen.de, dass es prozentual mehr "spielbare" Spiele erzeugt, also weniger eingepasste oder Null-Spiele. Und so fährt Skat-Spielen.de ebenfalls eine Simulation des klassischen Überhandmischens und ermöglicht sogar, wenn auch etwas eingeschränkt, das anschließende Abheben. Auch Heppe hat sich die Unbedenklichkeit des Verfahrens und der Implementierung vom TÜV Rheinland bescheinigen lassen. Dieser hat noch kleinere Mängel beim Abheben, überflüssige Zeilen im Code sowie ein paar andere Kleinigkeiten moniert, aber letztlich bescheinigt, dass das hier verwendeten Verfahren einem realen Mischen von Karten durch Skat-Spieler möglichst nahe kommt.

So ganz tief eingedrungen ist der TÜV allerdings nicht. Weder hat er die Qualität des verwendeten Java-Zufallsgenerators (einfach lineare Kongruenz) untersucht, noch die Tatsache problematisiert, dass hier der Überhand-Algorithmus von einer Gleichverteilung der jeweiligen Paketgrößen zwischen 1 und 11 ausgeht. Das ist eher unüblich, die Mathematikerschar sieht zumeist Binomialverteilungen vor. Mit der komplexen mathematischen Theorie hielt es der TÜV ohnehin nicht so, jedenfalls wenn er das O bei O(n² log(n)) aus der Arbeit von Jonasson schlichtweg übersieht und einfach von "mindestens 32²*log(32) = 3550" Mischdurchgängen ausgeht. Gabs da nicht noch einen konstanten Faktor? Eben den oben beschriebenen von der Wahrscheinlichkeit abhängigen Faktor für die Untergrenze? Mit p=1/2 wären es dann mathematisch beweisbar 22 Mischdurchgänge.

Aber so wirklich interessiert haben sich die Spieler für den TÜV-Bericht bislang offenbar ohnehin nicht. Laut Aussage von Jan Heppe war ich jedenfalls der erste, der seit 2011 das Angebot angenommen hat, den Bericht offline einzusehen.

Die anderen Skatserver-Betreiber verlieren über die verwendeten Mischverfahren oft gar kein Wort, so zum Beispiel Skat24.de. Veröffentlichte Statistiken werfen jedoch Fragezeichen auf, etwa bei der eingangs behandelten Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines Grand Ouvert. Bisher wurden auf Skat24.de alles in allem 48.443.859 Skat-Online-Spiele erfasst und nur 1.258 Spiele davon als Grand Ouvert gewonnen! Und diese Zahl enthält auch noch rund ein Drittel hasardeurische Spiele, also solche, die nicht völlig narrensicher waren, aber dennoch glücklich für den Alleinspieler endeten. 795 weitere Hasardeure mussten gar äußerst schmerzliche Niederlagen einstecken. Aber selbst mit 1258 liegt der Anteil mit 1:38.509 ungewöhnlich weit weg von dem statistisch zu erwartenden Wert 1:20.000. Ich hab meinen uralten Skat-Mischgenerator (noch in Delphi 7 kodiert) etliche Male mit jeweils 48.443.859 Spielen angeworfen und kam mit MT19937 und Fisher-Yates immer auf Werte zwischen 2400 bis 2500 narrensichere Grand Ouverts. Der ungewöhnlich schlechte Wert bei Skat24 muss aber nicht ein Problem des Mischgenerators sein, vielleicht gibt es dort nur so viele blöde Spieler, die ein unschlagbares Grand Ouvert nicht erkennen und stattdessen Karo mit einem oder so spielen ...

Mein alter Mischgenerator beherrscht auch Überhandmischen, damals mit meiner eigenen Variante mit normalverteilten Paketgrößen mit Mittelwert und Standardabweichung je nach Mischverhalten. Inzwischen sind das Pemantle-Modell und Riffle (GSR) hinzugekommen.

Geht man von einem wohlgeordneten neuen Spiel als Ausgangsstapel (Karo 7 ... Kreuz Ass) aus, so verdreifacht sich beim Überhandmischen mit nur 7 Durchgängen bei P=1/8 die Quote für ein Grand Ouvert auf etwa 1:6000, nach 12 Durchgängen ist sie immer noch doppelt so hoch. Lagen zuvor 3 Buben in einem Stich, wie es nach einem Grand oft der Fall ist – der in Turnieren immerhin mit 30 Prozent der Spiele vorkommt –, so ist die Quote bei 7 Mischdurchgängen sogar 5- bis 6-fach höher als rein statistisch. Beim Riffeln mit 7 hingegen bleibt es bei 1:20.000, so wie beim Zufallsgenerator.

Waren drei Buben im letzten Stich im Ausgangsstapel ganz unten, so bekommt man beim Überhandmischen nach 12 Durchgängen (p=1/4, ohne Abheben) folgende Wahrscheinlichkeiten für vier Buben auf die Hand in Relation zur Gleichverteilung: V: 75 %, M: 200 %, H: 400 %.

Insgesamt liegt die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Spiel irgendwer vier Buben auf die Hand bekommt, mathematisch bei 1,7 Prozent. Sie kann aber real unter der Annahme, dass zuvor drei Buben in einem Stich waren, selbst bei zehn Überhandmischdurchgängen samt Abheben mehr als doppelt so hoch sein.

Berücksichtigt man den Ausgangsstapel und die Mischmethode, ändern sich die Wahrscheinlichkeitswerte schon erheblich.

In unserer Skatrunde dominiert jedenfalls das Überhandmischen, nur einer, Lutz, riffelt gelegentlich. Christian wuselt meist erst eine Weile, bevor er die Karten feinkörnig mit kleinen Päckchen von 2 bis 3 Karten überhand in etwa 12 Durchgängen mischt. Denis mischt ähnlich feinkörnig. Die beiden Grobmotoriker der Runde, Axel und ich, schichten im Schnitt nur mit schlappen vier Päckchen einen Stapel um, immerhin ebenfalls in 12 Durchgängen. Dann gibts noch den aus der Nähe von Altenburg stammenden Martin, der chaotisch durcheinander mit drei bis sieben Paketen umschichtet. Ansonsten habe ich festgestellt, dass viele menschliche Überhandmischer abweichend vom Pemantle-Modell in einem recht konstanten Misch-Rhythmus grooven, also nahezu immer gleich viele, wenn auch ungleich große Pakete in einem Durchgang umstapeln.

Solche Erkenntnisse fehlen den Skat-Apps oder dem Online-Skat, insbesondere denen, die mathematisch mischen. Schließlich kann man hier dem Geber nicht zuschauen, weder beim Einsammeln der Karten noch beim Mischen. Mischt er überhand mit einer geraden oder ungeraden Anzahl von Paketen? Wird abgehoben? Grobmotoriker lassen auch gern mal ein paar Karten fallen und schieben sie wieder rein. Zuweilen verschwinden die entgegen aller Wahrscheinlichkeiten sogar in irgendwelchen Fußbodenritzen ...

Gewiefte Skatspieler achten zudem auch darauf, woher die Mitspieler ihre Karten ziehen, kriegen spitz, wie der jeweilige Mitspieler seine Karten sortiert und können dann ihr eigenes Spiel danach optimieren. Also zumindest auf Turnieren: nicht sortieren – oder jedes Mal anders! Und so verbleibt als Fazit: Das reale Spiel mit realen Mitspielern am realen Tisch (und klar, mit Contra, Re und so) ist eben durch keinen Computer zu ersetzen. (as)