Zeitungen zwischen Print und Apps

Politiker und Verleger sind sich einig: Zeitungen sind auch im Internetzeitalter unverzichtbar. Doch der Weg in die digitale Zukunft ist holprig – und die heutigen Apps sind noch nicht die Lösung. Das wurde auf dem Zeitungskongress in Essen deutlich.

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Von
  • Rolf Westermann
  • dpa

Ein geplantes Anwendungsprogramm der ARD für das iPhone ist zum Symbol des Streits um die Zukunft geworden. Als Moderator Frank Plasberg beim Zeitungskongress in Essen nach der lange angekündigten "tagesschau"-App fragte, war die Entrüstung auf dem hochkarätig besetzten Podium spürbar. Der Vorstandsvorsitzende des Medienhauses Axel Springer, Mathias Döpfner, sieht in dem Gratisangebot die Zerstörung des Geschäftsmodells in der digitalen Zukunft.

FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher sprach von der Gefahr, dass mit kostenlosen Angeboten der gebührenfinanzierten Sender der freien Presse der Boden entzogen wird. Vergeblich versuchte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, den Konflikt zu entschärfen. Wann die avisierte "tagesschau" für Smartphones kommen wird, steht noch nicht fest. Auch Boudgoust wollte sich nicht festlegen, er sprach von einigen Monaten.

Für ihn erfüllt die ARD damit einen gesetzlichen Auftrag. Außerdem konstruierten die Verlage eine Konkurrenzsituation, die es gar nicht gebe. Bei nur 3,7 Prozent Marktanteil des Internet-Angebots "tagesschau.de" hänge das Wohl der Verlage nicht von ARD und ZDF ab. "Eine publizistische Konkurrenz im Internet müssen Sie aushalten." Die Stimmung war gereizt und Döpfner konterte: "Wir sollten Sie zu Tode siegen lassen … Wenn Sie so weitermachen, werden Sie von Brüssel gestoppt."

Springer setzt auf den Verkauf von Apps, und Döpfner forderte die ARD auf, auch für die "tagesschau"-Applikation Geld zu verlangen, um den Wettbewerb nicht zu verzerren. Eine scheinbar einfache Lösung – doch das wird für die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten kaum machbar sein. Außerdem gibt es auch bei den Verlagen kein einheitliches Vorgehen, wie das kostenlose iPhone-Angebot zum Beispiel des Magazins Stern zeigt. Die Diskussion zeigt, dass der Kampf um die Marktplätze im Internet voll entbrannt ist.

Eine gewisse Symbolik für die Zeitenwende lag in der Absage von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Sie musste wegen des Geodaten-Gipfels in Berlin bleiben, bei dem es ausgerechnet auch um den Internet-Giganten Google ging. Stattdessen schickte sie ihren Staatssekretär Max Stadler zum Zeitungskongress. Dort diskutierten rund 500 Experten auf Einladung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) über die "digitale Revolution und die Zeitung".

Insbesondere große Verlage sind inzwischen im Internetzeitalter angekommen. Die Welt hat ein Angebot für den Tabletcomputer iPad entwickelt, die Frankfurter Allgemeine Zeitung will wohl im Oktober folgen und die kriselnde Frankfurter Rundschau startet in diesen Tagen damit.

Im Jahr 2013 soll es weltweit zwei Milliarden Smartphones geben – ein gigantischer Markt mit verlässlichen Abrechnungsmöglichkeiten. Allerdings haben es die Verlage mit neuen globalen Riesen zu tun, wie Google und Telekom-Unternehmen. So wurde auf dem Kongress kritisiert, dass Apple 30 Prozent der Einnahmen für die Verbreitung der Inhalte kassiere und auf den Kundendaten sitze. "Natürlich geht das nicht", betont Döpfner.

Aber wie sehen die künftigen Inhalte aus? Die frühere Online- Chefin des Tagesspiegels und heutige Guardian-Mitarbeiterin Mercedes Bunz vermisst die Vielfalt: "Wir versuchen alle das Gleiche. Unsere Apps sind immer noch Nachrichten-Apps." Schirrmacher beklagt, zu viele eiferten "Spiegel Online" nach. Kleinere Verlage können bei diesem enormen Tempo kaum mithalten, obwohl Experten im Lokalen große Chancen für mobile Angebote sehen. Da mit den neuen Diensten aber noch keine ausreichenden Einnahmen absehbar sind, mit denen sinkende Auflagen und wegbrechende Werbeerlöse ausgeglichen werden können, bleiben die Druckausgaben auf unabsehbare Zeit von großer Bedeutung.

BDZV-Präsident Helmut Heinen betont, dass 20 Millionen Menschen in Deutschland täglich freiwillig Geld dafür ausgeben. "Allen Unkenrufen zum Trotz spielt die Tageszeitung also nach wie vor eine zentrale Rolle im Alltag." Schirrmacher glaubt sogar an eine heilende Wirkung: "Papier wird in der Gesellschaft der Zukunft ein fast therapeutisches Medium sein, mit dem Menschen sich aus dieser völlig vernetzten Welt auf eine Insel der Nachdenklichkeit und der Reflexion zurückziehen." (anw)