Zeitungsverleger: "Magna Carta der Telekommunikation" fĂĽr Freiheitsrechte beim Netzzugang

Netzneutralität, Pressefreiheit, Rufe nach einer "Magna Carta der Telekommunikation" und das Ringen um die Bezahlbarkeit von Journalismus: Die Themen des Zeitungskongresses 2013 sollen der Branche Mut machen; Selbstmitleid ist out.

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Von
  • Jutta Steinhoff
  • dpa

Neue selbstbewusste Töne und Erfolgsbeispiele des digitalen Wandels bei den Zeitungsverlagen sollen dem Abgesang auf die Printbranche Einhalt gebieten. Deutsche Zeitungen erreichten gedruckt, online und mobil derzeit mehr Menschen als je zuvor, betonte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen (Kölnische Rundschau), zum Auftakt des Zeitungskongresses 2013 am Montag in Dresden. "50 Millionen Männer und Frauen lesen oder nutzen täglich Zeitungs-Inhalte; das sind fast 80 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahren."

Wichtigste Herausforderung sei angesichts der nach wie vor großen Reichweite allerdings die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle für die digitalen Produkte. Die Politik müsse zugleich die richtigen Rahmenbedingungen sicherstellen, forderte Heinen. Der Schutz der bürgerlichen Freiheiten im Internet und ein gesetzlich garantierter diskriminierungsfreier Netzzugang zählten dazu. Heinen sprach sich für eine "Magna Carta der Telekommunikation" aus, in der "globale, an den Freiheitsrechten orientierte Standards" niedergeschrieben werden sollten. Dies inklusive Netzneutralität und Pressefreiheit umzusetzen, sei Aufgabe der neuen Bundesregierung nach den Wahlen vom 22. September, stellte der BDZV-Präsident klar.

Die bekannt gewordene Ausspähpraxis der amerikanischen und britischen Geheimdienste nannte Heinen besorgniserregend, Menschen müssten sich auch über moderne Kommunikationsmittel frei mit anderen austauschen können. Im Journalismus und für die Pressefreiheit sei der optimale Quellenschutz existenziell: "Nur so kann die Presse ihre Wächterfunktion auch im digitalen Zeitalter in vollem Umfang erfüllen." Zugleich warnte Heinen vor einer "Mehrklassengesellschaft etwa nach Größe oder Finanzkraft der Inhalteanbieter".

Kritik richtete der Verbandschef auch an die eigenen Reihen und ihre "manchmal maßlose Selbstbespiegelung"; "gar nicht zu reden von fahrlässig heraufbeschworenen Untergangsszenarios". Von denen war indes beim Zeitungskongress wenig zu spüren. Die Branche holte sich Erfolgsberichte aus der Musikvermarktung (spotify) sowie aus dem Online-Handel, ließ sich vom Marketingchef der Axel Springer AG, Peter Würtenberger, über dessen Lehren aus der Zeit im Silicon Valley berichten und stellte Vertreter einiger "Leuchttürme" heraus.

"Wir haben 2010 die Entscheidung getroffen, dass wir den ganzen Transformationsprozess erfolgreich bestehen", erzählte etwa der Geschäftsführer der Neuen Osnabrücker Zeitung, Laurence Mehl. "Und das tun wir jetzt" – sein Haus erwirtschafte Rekordumsätze. Ziel sei es, bis 2016 ein nachhaltiges Geschäftsmodell für digitale lokale Berichterstattung zu entwickeln, ohne das Kerngeschäft zu schwächen, "und wir liegen voll im Plan". Die Allgäuer Zeitung hat sich im Internet und sozialen Netzwerken auf unterschiedliche Wege zu unterschiedlichen Zielgruppen gemacht, berichtete Geschäftsführer Markus Brehm, etwa auf der Seite www.griassdi.de (Grüß dich).

Auch die Mittelbayerische Zeitung sieht sich auf dem richtigen Weg: Schlanke Hierarchien und enge Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Geschäftsführung, Vernetzung der Redaktionen für digitale und Print-Produkte nannte Verlagsleiter Martin Wunnike. Und: "Wir ermuntern unsere Mitarbeiter zum Scheitern." Ohne Risikobereitschaft seien keine neuen Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Bereits am Ziel scheint dabei die große New York Times, deren Marketinchefin Yasmin Namini ebenfalls als Referentin am Zeitungskongress teilnimmt. Seit März 2011 hat die Zeitung ein Pay-Modell, und bereits fast 700.000 zahlende Kunden auf den digitalen Plattformen. Die ersten zehn Artikel pro Monat sind immer frei, danach kostet es – und das in drei Preisklassen je nach Umfang des Zugangs. Auch Print profitiere, berichtet sie, denn wer die Zeitung abonniert hat, der habe das komplette digitale Angebot frei. Was davon als Zugabe gilt, sei je nach Nutzer verschieden – das System funktioniere. Wichtigeste Grundregel sei aber: Nicht an der Qualität sparen!

Der zweitägige Kongress mit mehr als 400 Teilnehmern widmet sich dem digitalen Wandel in der Zeitungsbranche sowie der Finanzierung von Journalismus in der Zukunft. Als Ehrengast wird Bundespräsident Joachim Gauck am Dienstag über die Zeitung und ihre Bedeutung in der modernen Gesellschaft sprechen. (jk)