Zoff beim Online-Händler Amazon

Beim Ur-Vater aller US-Online-Shops, Amazon, hängt ausgerechnet mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft der Haussegen schief.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 35 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tilman Streif
  • dpa

Beim Online-Händler Amazon hängt mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft der Haussegen schief. Während das Unternehmen aus Seattle im Bundesstaat Washington an der Börse immer kritischer begutachtet wird, sind viele der amerikanischen Mitarbeiter unzufrieden. Grund für sie, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Und das ist in den USA vor allem in der Hightech- Industrie alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die New York Times berichtete jetzt, wie energisch sich das Unternehmen gegen den Aufbau einer Arbeitnehmervertretung wehrt.

Amazon-Gründer Jeff Bezos nimmt kein Blatt vor den Mund. "Jeder in unserer Firma ist ein Mitbesitzer. Wir brauchen keine Gewerkschaft", sagte der Chef unlängst den Arbeitern eines Vertriebslagers in Nevada. Bezos verweist damit auf die Aktienoptionen, die jeder Mitarbeiter erhält. Dieses Programm hat Amazon-Mitarbeiter der ersten Stunde zu Multimillionären gemacht. Beim stetig sinkenden Kurs des Amazon-Papiers haben diese Optionen aber zurzeit kaum Wert. Das ist für viele Mitarbeiter besonders bitter, da sie auf einen stetig steigenden Kurs spekulierten und sich deshalb auf geringere Löhne einließen.

Auch in Deutschland sitzen die 700 Mitarbeiter der Amazon.de GmbH auf ihren Aktienoptionen. Probleme mit den Gewerkschaften wie in den USA sind für Firmensprecher Andre Schirmer dagegen nicht in Sicht. Die innerbetriebliche Mitbestimmung sei in Deutschland ganz anders geregelt – über gewählte Betriebsräte etwa, die es in den USA nicht gebe. Die gelegentlich geäußerte Kritik, dass Amazon.de weniger zahle als tariflich üblich, weist Schirmer zurück: Unternehmen neuer Märkte seien so neu, dass es überhaupt noch keine tariflichen Richtlinien gebe. Zudem zahle Amazon im Vertriebszentrum Bad Hersfeld mehr als andere örtliche Unternehmen.

In den USA sorgen sich die Amazon-Angestellten auch um ihre Arbeitsplätze. Im vergangenen Jahr waren im Januar nach dem Ende des Weihnachtstrubels etwa 150 Kollegen entlassen worden. Gewerkschaftsvertreter stießen deshalb auf offene Ohren, als sie damit begannen, in der Seattler Firmenzentrale neue Mitglieder zu rekrutieren. 400 Kundendienstmitarbeiter werden zurzeit von der Technologie-Gewerkschaft Washington Alliance of Technology Workers (WashTech) umworben. An die 5.000 Arbeiter in den acht US-Vertriebslagern des Einzelhändlers wendet sich im Namen der Gewerkschaften der Prewitt Organizing Fund, der auch deutsche und französische Amazon- Angestellte gewerkschaftlich organisieren will.

Die Gewerkschafter erhoffen sich vor allem in den USA von ihrer Kampagne Signalwirkung. "Amazon ist der Marktführer im Online- Einzelhandel, und die gesamte Industrie wird dem Beispiel dieser Firma folgen", sagt Duane Stillwell, der die Kampagne in den Vertriebslagern leitet. Zeitpunkt und Ort der Aktion sind mit Bedacht gewählt. Bei Amazon hat jetzt als Höhepunkt des Geschäftsjahres die Weihnachtssaison begonnen, und Betriebsstörungen hätten katastrophale Folgen. Deshalb hoffen die Gewerkschafter, dass ihre aktuelle Rekrutierungskampagne von der Geschäftsleitung zähneknirschend geduldet wird.

Von einem Streik ist beim Online-Handelsriesen zurzeit keine Rede, und das soll nach dem Willen der Geschäftsleitung auch so bleiben. Sie versorgt ihre Manager mit Argumentationshilfen. Unzufriedene Arbeitnehmer sollen etwa davon überzeugt werden, dass es zu ihrem Vorteil sei, wenn Lohnverhandlungen nicht auf dem Umweg über eine Gewerkschaft stattfinden. Die New York Times präsentierte jetzt betriebsinterne Amazon-Dokumente, die dem Blatt von einem Angestellten zugespielt worden waren. Die Dokumente richten sich an die Manager, unter der Überschrift "Gründe warum eine Gewerkschaft unerwünscht ist": Es werde "Misstrauen gegenüber Vorgesetzten" gesät, außerdem seien gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter weniger kooperativ. Amazon-Sprecherin Patty Smith bestätigte die Existenz der Warnschrift. "Wir glauben nicht, dass unsere Mitarbeiter oder unsere Kunden von einer Gewerkschaft profitieren", betont Smith.

Siehe dazu auch den Artikel Weihnachten bald auch für Amazon-Mitarbeiter? - Die Elfen proben den Aufstand in Telepolis. (Tilman Streif, dpa) (jk)