Zu wenig Personal: Verbände sehen Verkehrswende gefährdet​

Ohne einen dicht getakteten Nahverkehr ist eine Verkehrswende mit weniger Pkws nicht zu machen. Dafür brauche es mehr Personal, fordern Verbände.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 270 Kommentare lesen
Busfahrer

Rund 5000 Busfahrer gehen pro Jahr in Rente. Es gibt Probleme, diese Stellen nachzubesetzen – und der Personalbedarf soll bis 2030 steigen.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Stefan Wildhirt)

Lesezeit: 4 Min.
Von

Dem öffentlichen Personennahverkehr fällt bei der Verkehrswende eine wesentliche Rolle zu, denn ohne ihn ist sie chancenlos. Wenn mehr Menschen auf das eigene Auto verzichten und verstärkt den ÖPNV nutzen sollen, muss der Nahverkehr attraktiver werden. Dafür braucht es politischen Willen, in diesem Bereich Geld in die Hand zu nehmen, auch verbesserte Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Genau das fordern Verbände. "Wenn wir so weiter machen wie jetzt, ist ein Ausbau des ÖPNV nicht machbar. Wir müssen uns die ganze Zeit fragen: Wie kriegen wir das alles noch finanziert? Und wer soll die Fahrzeuge fahren", sagte Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses, der dpa. Er ist mit seiner Kritik nicht allein.

Laut einer Umfrage des VDV mussten im vergangenen Jahr 44 Prozent der Verkehrsunternehmen (zeitweilig) ihren Betrieb einschränken. "Faktisch verabschieden wir uns von der Verkehrswende, wenn wir ÖPNV-Verkehr einstellen müssen", sagte Kraus. "Aktuell sind wir vor allem dabei, irgendwie den Status quo aufrechtzuerhalten." Der Umstieg vom Auto auf Züge und den ÖPNV ist ein elementarer Teil der Verkehrswende, die im Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung ist. "Ich nehme aber nicht wahr, dass wir als Branche ausreichend unterstützt werden, im Verkehr die Klimaziele zu erreichen", sagte Kraus.

Laut VDV arbeiten derzeit etwa 100.000 Busfahrer im Fahrdienst. Davon gehen jedes Jahr 4000 bis 6000 in Rente. Gleichzeitig sagten in der Unternehmensumfrage 83 Prozent, dass sie den Personalbedarf im Fahrdienst bis 2030 höher einschätzen als aktuell. Der Personalmangel dürfte sich so Jahr für Jahr verschärfen. Der Lobbyverband "Allianz Pro Schiene" hält daher eine "umfassende Personaloffensive" für den ÖPNV für nötig. "Branche und Unternehmen müssen in die Schulen gehen und dafür werben, dass Jobs im ÖPNV sicher und fair bezahlt sind und einen direkten Beitrag zum Klimaschutz leisten", sagte Geschäftsführer Dirk Flege der dpa.

Die Verkehrsbranche gibt sich an dieser Stelle selbstkritisch: Bei der proaktiven Suche nach Mitarbeitern gebe es durchaus Verbesserungsbedarf. "Das neue Mindset ist noch nicht bei allen richtig angekommen. Unsere Branche wurde von der Politik sehr lange aufgrund des Kostendrucks angehalten, Personal abzubauen. Das ging die letzten 25 Jahre so", sagte Kraus. "Das heißt: Akquise kannte man in der Branche kaum. Daher ist das Durchschnittsalter der Beschäftigten auch relativ hoch." Laut Umfrage liegt es im Fahrdienst bei fast 48 Jahren. Laut VDV suchen einige Unternehmen auch im Ausland nach Fachkräften. "Vor allem für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen der Branche ist aber die Betreuung der Rekrutierten eine große Herausforderung, die Personalabteilungen dieser Verkehrsunternehmen sind oft nicht groß. Hier liegt die Lösung vor allem in branchenweiter Zusammenarbeit", sagte Kraus.

Nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi leidet der ÖPNV auch an Personalmangel, weil die Entgelthöhen nicht überall konkurrenzfähig seien, und das bei gleichzeitig anspruchsvollen Arbeitsbedingungen. "Flapsig gesagt, findet man vielerorts für dasselbe Geld, das man im Fahrdienst bekommt, einen Job, der weniger belastend ist, mit verlässlicheren Arbeitszeiten, kürzeren Schichten", sagte Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter für Busse und Bahnen bei Verdi, der dpa. Vor allem im Schichtdienst und bei Tätigkeiten mit Kundenkontakt müssten die Arbeitsbedingungen verbessert werden, etwa durch kürzere Schichtzeiten, verlässliche Schichtplanung und ausreichende Ruhezeiten. Auch VDV-Experte Kraus sieht in Flexibilisierung bei den Arbeitszeiten und Dienstplanmodellen, die besser zu den Lebenswirklichkeiten der Menschen passen, noch Spielraum. "Flexibilisierung bei den Arbeitszeiten bedeutet aber mehr Personal. Und das kostet zusätzliches Geld, das wir nicht haben."

(mfz)