Zwischen Euphorie und Kritik: Nicht nur Applaus fürs neue iPhone

Nicht alle wollen in den kollektiven Jubel um die Ankündigung des UMTS-iPhone einstimmen. Beobachter sehen hinter den Preissenkungen auch ein Eingeständnis des Herstellers, dass das iPhone nicht überall reißenden Absatz findet.

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Der Jubel war ihm sicher. Tosender Applaus brandete unter den Besuchern im Moscone Center in San Francisco auf, als Steve Jobs endlich die erlösenden Worte sprach: "iPhone 3G". Zahlreich waren sie zur Eröffnungs-Performance der jährlichen Entwicklerkonferenz WWDC gepilgert, um der Ankündigung des Apple-Chefs beizuwohnen. Doch der kollektive Enthusiasmus für das neue iPhone mit UMTS und GPS wird außerhalb des Moscone Center nicht überall geteilt. An der Börse machte Jobs weniger Eindruck; Apples Aktienkurs gab leicht nach.

Dabei hatte sich der Apple-Chef wie üblich Mühe gegeben, den Spannungsbogen zu halten. Mit einer kleinen Würdigung der Erfolgsstory iPhone kurz vor dessen erstem Geburtstag leitete Jobs den letzten Tagesordnungspunkt ein. Fünf Herausforderungen habe es für das Nachfolgemodell zu meistern gegeben, zählte der Mann im schwarzen Rollkragenpullover auf. UMTS müsse es können. Den spontan wiedereinsetzenden Applaus konnte auch die Erkenntnis nicht trüben, dass das angesichts der Marktsituation eigentlich auch schon für das erste iPhone gegolten hatte.

Interessanter als die nicht neue Kritik am begrenzten Funktionsumfang des ersten iPhones waren die weiteren vier Punkte auf Jobs' Agenda und deren mögliche Konsequenzen: Das iPhone soll für Geschäftsleute interessanter werden und damit eine Alternative zum beliebten Blackberry-Dienst bieten. Das iPhone wird sich für Anwendungen anderer Entwickler öffnen. Das iPhone soll in wesentlich mehr Ländern als bisher vertrieben werden. Und das iPhone soll erschwinglicher werden.

Letzteres macht sich in deutlichen Preissenkungen bemerkbar. In den USA wird es das Apple-Handy ab 199 US-Dollar geben – zuzüglich Vertragskosten. Auch in den anderen Ländern, in denen es das UMTS-iPhone ab dem 11. Juli geben soll, wird mit deutlichen Preissenkungen gerechnet. Über genaue Preise sagt der deutsche Vertriebspartner T-Mobile noch nichts, ein Sprecher räumte allerdings deutliche Preissenkungen ein. Zahlen, die aus anderen Ländern berichtet werden, deuten zudem auf eine Subventionierung der Geräte hin.

Aus den USA meldet die New York Times, dass Apple von der Umsatzbeteiligung an AT&T-Verträgen abrückt und der Carrier das Geld in Gerätesubventionen stecken könnte. In Großbritannien bei O2 soll es das 8-GByte-Modell in den günstigeren Tarifen für 99 Pfund (125 Euro) geben, mit teureren Verträgen sogar voll subventioniert. Die Vodafone-Gruppe will das Gerät in Australien auch mit Prepaid-Produkten anbieten. Wie auch immer das im Detail aussehen wird: Der eine oder andere Kunde, der noch viel Geld für ein nun nicht mehr vollwertiges Handy hingelegt hat, dürfte angesichts der Preissenkungen seinen Ärger runterschlucken – oder auch nicht. Von einzelnen Mobilfunkprovidern heißt es allerdings, sie planten, den Nutzern des alten iPhones ein Upgrade auf das neue Gerät für 50 US-Dollar anzubieten.

Während der Preis für den privaten Handynutzer eine Rolle spielt, legen Geschäftskunden bei ihrer Entscheidung auch andere Maßstäbe an. Mit der Öffnung des Systems für Standards wie Exchange, das Konkurrent Microsoft in der Geschäftswelt verankert hat, bringt das iPhone aus Sicht der Businesskunden auf eine Ebene mit den verschiedenen Smartphones, die das schon länger können. Dazu hat das Apple-Handy ein überzeugendes Bedienkonzept und macht die mobile Internetnutzung so leicht wie kein Handy zuvor.

Ob das allerdings reicht, dass hunderttausende Anzugträger ihrem Blackberry und dem dahinterstehenden Dienst abschwören, daran zweifeln unter anderem die Börsianer. RIM konnte seinen US-Marktanteil bei Smartphones zuletzt auf knapp 45 Prozent ausbauen, während nur noch knapp jedes fünfte Smartphone von Apple kam. Immer noch eine beachtliche Hausnummer für einen Branchenneuling, der damit Veteranen wie Palm hinter sich lassen konnte.

Sorgen macht sich die Wall Street auch um Apples ungebrochene Erfolgsstory, da reagiert der Aktienkurs schon mal etwas nervöser. Das erste iPhone ist nach rund 6 Millionen Stück – überwiegend in den USA – zwar ausverkauft, doch sehen Beobachter in den Preissenkungen, möglichen Subventionen und der breiteren Vertriebsbasis auch ein Eingeständnis, dass das iPhone die hohen Erwartungen bisher nicht ganz erfüllt hat. In den europäischen Ländern konnte Apple den großen Erfolg des US-Starts nicht wiederholen. T-Mobile hatte Mitte Mai und rund ein halbes Jahr nach dem Start rund 100.000 verkaufte iPhones gemeldet. Dafür hatte Apple in den USA nicht mal ein Wochenende gebraucht. Kritiker meinen daher, der Hersteller habe die nicht-amerikanischen Märkte völlig falsch eingeschätzt.

Darüber hinaus gibt es Zweifel, ob Apple mit dem iPhone den iPod-Effekt wiederholen kann: ein ganzes Gerätesegment von hinten aufrollen. Eine gewisse Strahlkraft wird dem iPhone allerdings zugestanden. Steve Jobs selbst hat da gar keine Zweifel: "Das ist das Telefon, das Telefone für immer verändert hat", sagt er stolz über Apples Kreation. Ganz Unrecht hat er damit nicht, meinen auch Analysten. Zuerst habe das iPhone die Latte für Konsumentenhandys höher gehängt, jetzt müssten sich auch die auf Geschäftskunden und den professionellen Einsatz abzielenden Smartphones auf den Neuling einstellen, meint Kevin Burden von ABI Research. Wer sich mal durch die Software auf verschiedenen Produkten der großen Handy-Hersteller geklickt hat, weiß, dass das durchaus eine gute Nachricht ist.

Zu Apples Entwicklerkonferenz WWDC siehe auch:

(vbr)