c't 3003: Ich habe Superkräfte | Exoskelett ausprobiert

In vielen Filmen wird es militärisch genutzt, dabei kann ein Exoskelett in Pflege- und Logistikberufen eine große Hilfe sein. c't 3003 hat's ausprobiert.

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Lesezeit: 14 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wer kennt nicht die ikonischen Bilder von Iron Man, der in seinen maschinell angetriebenen Roboteranzug schlüpft und übermenschliche Fähigkeiten erhält? Doch Exoskelette sind nicht nur Stoff für Science-Fiction-Filme. Auf der CES in Las Vegas konnten wir diese beeindruckende Technologie selbst ausprobieren und die Möglichkeiten, die sie für die Zukunft verspricht, ausloten.

Transkript des Videos

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier, ich bin Iron Man! Nein, Scherz. Aber ich habe mir wirklich einen kleinen Kindheitstraum erfüllt. Ich fand nämlich schon als Kind die Mischung aus Mensch und Maschine mit solchen Exoskeletten, also mit maschinell angetriebenen Roboteranzügen, extrem cool. Gerade auch, weil das in vielen Filmen wirklich beeindruckend aussieht und den Filmhelden so viele Möglichkeiten gibt. Und wer will denn nicht stärker sein als in echt?

Was aber auffällt, in fast allen Filmen werden Exoskelette irgendwie militärisch eingesetzt. Dabei gibt es ganz andere sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Und ja, jetzt konnte ich auf der CES in Las Vegas wirklich mal so ein maschinelles Exoskelett ausprobieren. Genauer gesagt, habe ich sogar zwei verschiedene Modelle von unterschiedlichen Herstellern ausprobieren können. Ein eher preisgünstiges, das das Laufen um 20 Prozent erleichtern soll und das so klein ist, dass man es in den Rucksack tun kann. Und eines, das in der Pflege und Industrie die Arbeitsbedingungen für das Personal erheblich angenehmer gestalten soll.

Ja, und wenn man so ein Ding anhat, das ist wirklich ein spürbarer Unterschied zu ohne. Wie das in der echten Welt eingesetzt werden könnte und wie sich das anfühlt, seht ihr gleich. Bleibt dran!

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Also ich habe auf der CES ja viele neue und beeindruckende Dinge gesehen. Unter anderem eben auch Exoskelette. Das ist jetzt noch nicht so unbedingt der Mainstream-Tech-Kram, den alle zu Hause benutzen wollen, aber trotzdem so ein Stück Technik, das in Zukunft viele Dinge einfacher machen könnte. Ich wollte so etwas jedenfalls unbedingt mal ausprobieren und das konnte ich zum Beispiel bei der Firma German Bionic in einer Hotelsuite in Las Vegas. Sogar mit Ausblick.

Ist jetzt vielleicht ein bisschen absurd als deutscher Tech-Journalist das Produkt einer deutschen Firma in Las Vegas auszuprobieren, aber gut, dafür ist die CES ja auch irgendwie da. Erst mal wichtig, was genau habe ich da jetzt eigentlich ausprobiert und von wem? German Bionic ist, wie der Name schon vermuten lässt, eine deutsche Firma. Die haben zwar auch Büros in Japan und USA, aber der Hauptsitz ist im bayerischen Augsburg. Und dort entwickeln die Exoskelette. Speziell für die Industrie und für den Einsatz in Pflegeberufen. Und das macht German Bionic jetzt seit 2017. Diesen Anzug, den ich hier jetzt anhabe, ist die sechste Gerätegeneration. Apogee heißt die. Die wird übrigens auch in Deutschland hergestellt und zwar bei Mubea in Appendorn im Sauerland.

Übrigens, der Begriff Exoskelett hat mehrere Bedeutungen. In der Biologie ist das ein Außenskelett, das tatsächlich sehr häufig in der Natur vorkommt, nämlich bei nahezu allen Gliederfüßern, also Krebstieren, Spinnen, Skorpionen und Tausendfüßern. Wenn ich hier im Video Exoskelett sage, meine ich aber natürlich ein maschinelles Exoskelett, also so ein motorisch angetriebenes Skelett, das meinem integrierten Endoskelett ein bisschen auf die Sprünge hilft.

Und so ein Exoskelett kann nicht nur meine Kraft verstärken, sondern auch die Beweglichkeit verbessern oder sogar verlorene Fähigkeiten wiederherstellen. In der Industrie werden Exoskelette eingesetzt, um zum Beispiel bei schweren Hebeaufgaben zu unterstützen oder um die Ausführung von Aufgaben zu erleichtern, die über längere Zeiträume hinweg ermüdend sein können.

German Bionic hat Exoskelette fĂĽr zwei Bereiche. Eins fĂĽr die Industrie, das heiĂźt Apogee und eins fĂĽr den Pflegebereich, das heiĂźt Apogee+. Beide Modelle sind technisch identisch. Der Unterschied liegt nur in der Farbe und darin, dass die Version fĂĽr die Pflege einfacher zu desinfizieren ist.

Exoskelette machen also in Berufen Sinn, in denen man körperlich arbeitet. Also zum Beispiel für c’t-3003-Redakteure. Scherz. Also ich habe jedenfalls das neueste Modell Apogee+ ausprobiert, das speziell für Pflegekräfte entwickelt wurde. Eine Sache, die ich ziemlich nützlich fand, war, dass ich mit dem Exoskelett andere Menschen einfacher hochheben kann und die sich dann noch so an den Griffen festhalten können. Also so Menschen aus dem Bett heben, das ist ja in der Pflege eine Standardsituation.

Das Exoskelett wiegt allerdings 6,8 Kilo und das merkt man auch schon beim Anziehen. Mit Energie versorgt wird das Exoskelett übrigens mit einem handelsüblichen Makita-Werkzeugakku mit 40 Volt und 2,5 Amperestunden. Und der soll bis zu 8 Stunden halten und kann während der Benutzung auch so Hotspot-mäßig gewechselt werden.

Anziehen kann man das Exoskelett im Prinzip wie einen Rucksack und ja, dann werden die Motoren gestartet und als letzten Schritt werden noch Teile an den Oberschenkeln festgemacht. Das sieht hier jetzt noch etwas umständlich aus, aber sowas spielt sich laut German Bionic recht schnell ein und soll nach einigen Malen so etwa 60 Sekunden dauern und das soll man dann auch problemlos alleine hinkriegen. Ein bisschen futuristisch ist dieses Display, mit dem man das Exoskelett steuern kann. Da kann man sich dann per PIN anmelden und dadurch die Einstellung speichern, auch wenn man sich das Gerät mit anderen Leuten teilt.

Das Erste, was ich mit dem Exoskelett gemacht habe, war einfach mal rumlaufen. Dabei kann man einstellen, wie hoch die Unterstützung sein soll und bei 100 Prozent habe ich schon deutlich gemerkt, wie die Motoren meine Beine so nach vorne gezogen haben. Seitwärts laufen geht übrigens auch, bringt aber weniger Unterstützung. Und ich muss sagen, das hat schon richtig Spaß gemacht. Ich hätte das gerne mal ausprobiert, mal so eine richtige Wanderung damit zu machen, ob sozusagen die Erleichterung in den Beinen das Gewicht von fast 7 Kilo ausgleichen kann. Ich weiß auch nicht, ob man das selbst so einfach beurteilen kann. Ich kann auf jeden Fall sagen, es macht großen Spaß.

Zweiter Anwendungsbereich ist das Senken. Also ich habe etwas in der Hand und will das abstellen und dann Patienten hinlegen. In diesem Fall habe ich es mit einem Wasserkanister ausprobiert und der Unterschied zwischen 0 Prozent Unterstützung und voller Unterstützung war auf jeden Fall auch deutlich spürbar. Und die Geräusche, die das Exoskelett macht, während der Bewegung, finde ich auch ziemlich cool und so, ja, so Roboter-mäßig halt. Hört mal selbst.

Als Drittes habe ich dann das Heben ausprobiert. Hier auch mit zwei Kanistern, die je 9 Kilogramm wiegen. Und ja, auch hier war der Unterschied deutlich spĂĽrbar. Bei 100 Prozent UnterstĂĽtzung bin ich fast gesprungen vor lauter Kraft. Noch schwerer war es dann, als ich die Mitarbeiter von German Bionic aus dem Stuhl gehoben habe. Klar, das habe ich auch ohne UnterstĂĽtzung geschafft, bin jetzt aber auch nicht so klein. Die UnterstĂĽtzung habe ich dann aber trotzdem gerne angemacht.

Also Heben und Senken, da ist die Unterstützung noch stärker als im Gehen. Gehen ist sozusagen so ein Nebenaspekt und diese Heb- und Senk-Geschichten, das ist der Hauptanwendungsbereich. Das merkt man klar. Ja, und das Gerät ist auch so gebaut, dass sich Patientinnen und Patienten beim Greifen keine Körperteile einklemmen können.

Was ich technisch interessant finde, das Gerät reagiert im Bruchteil einer Sekunde auf meine Bewegung. Das heißt, auch wenn ich mitten in der Bewegung stehen bleibe, zieht mich das Exoskelett nicht einfach weiter. Also Heben, Senken, Laufen, also die drei Bereiche, in denen das Apogee unterstützt, können auch alle simultan laufen und auch unterschiedlich stark eingestellt werden. Das merkt sich das Gerät dann eben über die PIN. Ich kann also sagen, ich hätte gerne 50 Prozent Unterstützung beim Laufen, beim Heben 75 Prozent und beim Senken will ich 100 Prozent. Was auch ziemlich lustig ist, ist die Gamification. Also ich kann im Menü Achievements sehen und genau nachverfolgen, wie viele Kilo Traglast mir das Exoskelett seit dem Anziehen abgenommen hat.

Aber German Bionic war nicht der einzige Hersteller von Exoskeletten auf der CES. Es gab auch noch das Exoskelett von WIRobotics. Also W-I-Robotics, aber ausgesprochen wie We. Das ist jetzt, sage ich mal, etwas einfacher als das von German Bionic und auch deutlich günstiger. Und das unterstützt auch nur beim Laufen. Sieht aus wie eine große Powerbank und man zieht sich das dann einfach so über die Beine und läuft dann los. Ja, das zeigt noch ein anderes Anwendungsfeld von Exoskeletten, nämlich Fitness. Denn dieses Exoskelett macht das Laufen bis zu 20 Prozent einfacher und ja, ich hab da auch ein bisschen was gemerkt beim Ausprobieren, aber ob das jetzt 20 Prozent waren oder nur 10, das kann ich natürlich schlecht sagen. Man merkt aber, dass es nur ein Viertel so viel kostet wie das von German Bionic. Die Unterstützung arbeitet nicht so smooth. Das heißt, dass der Motor manchmal Dinge machte, die sich für mich und meine Beine nicht so natürlich anfühlten. Aber wie gesagt, die Erleichterung konnte ich spüren.

Und gerade im höheren Alter könnte sowas ja interessant sein, einfach um weiterhin beim ausführlichen Spazieren gehen oder Wandern dabei sein zu können. Oder andersrum unterstützt das Modell von WIRobotics auch beim Sporttraining und kann beispielsweise das Laufen unter Wasser simulieren, also schwerer machen für bestimmte Trainingssituationen. Und die können dann auch per App getrackt und eingestellt werden.

Und so, und jetzt die ganz wichtige Frage, was kostet das jetzt eigentlich? Also, die beiden Apogee-Modelle von German Bionic kosten 10.000 Euro. Es gibt die auch als „Robotics as a Service“, man kann sie also für 400 Euro pro Monat mieten. Dabei gibt es regelmäßig Software-Updates over the air, jedes Exoskelett hat ein LTE-Modul und einen WLAN-Chip.

Das Exoskelett von WIRobotics ist eher so ein Alltags- und Sportding, deshalb auch günstiger. Es soll in diesem Jahr in den USA auf den Markt kommen und ungefähr 2.500 US-Dollar kosten. Erscheinungstermin für Europa gibt es aber noch nicht. Und wie das bei CES-Produkten manchmal ist, ich würde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das Teil wirklich dieses Jahr auf den Markt kommt. Das ist noch so ein bisschen unklar.

Also, ich finde es ist auf jeden Fall schon beeindruckend, dass man sich so eine Maschine anziehen kann, die dann wirklich so Hand in Hand mit meinem Körper arbeitet. Das fühlt sich schon sehr futuristisch an. Und ich kann mir vorstellen, dass vor allem im Bereich Pflege und auch Logistik, also überall da, wo man wirklich Körperkraft gebraucht wird, so ein Exoskelett wirklich sinnvoll eingesetzt werden kann. Das werden die auch schon. Also ein großer Kunde von German Bionic ist zum Beispiel DPD. Das heißt, es kann gut sein, dass irgendein Paket von euch schon mal mithilfe eines Exoskeletts angehoben oder verladen wurde.

Aber was auch ganz klar ist, obwohl das Apogee schon die sechste Generation ist und das Gerät schon viel leichter und unauffälliger geworden ist im Vergleich zur vorherigen Generation, man vergisst so ein Exoskelett nicht, wenn man es am Körper trägt. Das wiegt halt fast sieben Kilogramm. Das heißt, man wird die Arbeit, das anzulegen und den ganzen Tag zu tragen, nur aufwenden wollen, wenn es einen wirklich unterstützt bei der Arbeit. Also, wenn ich schon weiß, ich werde heute mindestens 20-mal einen Menschen hochheben oder 30-mal ein schweres Paket aus dem Regal nehmen.

Was ich aber gut und wichtig finde, Exoskelette ersetzen keine Menschen. Das ist in vielen Berufen nämlich gar nicht sinnvoll oder überhaupt möglich. Stellt euch einfach mal die Frage, würdet ihr im Alter lieber vom Roboter oder von einem echten Menschen gepflegt werden? Oder wenn ihr umzieht, habt ihr lieber einen Menschen, der eure Kisten trägt oder eine Maschine? Und dann ist es halt ziemlich gut, wenn es Technik gibt, die in diesen Berufen den Menschenkörper bestmöglich schützt und auch einfach um Kraft zu sparen. Also, dass man nach so einer 8-Stunden-Schicht einfach dank so eines Geräts weniger müde ist.

Was meint ihr? Könnt ihr euch vorstellen, auch mal so ein Exoskelett anzuziehen beim Sport oder beim nächsten Umzug oder Garten umgraben? Schreibt es gerne in die Kommentare und natürlich auch gerne abonnieren. Tschüss!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(rum)