Lauterbach: Mit KI und Daten schneller Impfungen für die nächste Pandemie

Seite 2: Lebensrisiken

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"Es macht mich immer verrückt, wenn Leute über das Anonymisierungsproblem sprechen. Okay, wir werden Daten erfassen und sie anonymisieren", sagte der US-amerikanische Harvard-Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig. Dann komme immer irgendein "Geek, der sagt, er finde immer einen Weg zum Reverse Engineering". Flugzeuge würden auch starten und abstürzen, das passiere, und trotzdem würden weiter Flugzeuge starten. Die Antwort auf die bisher nicht umsetzbaren Anonymisierung besteht seiner Ansicht nach darin, Geschäftsmodelle zu kriminalisieren, die mit Reverse Engineering Daten deanonymisieren. "In Amerika würden wir sagen: Lasst uns die Todesstrafe verhängen. Das darf man hier nicht aussprechen", sagte Lessig. Dennoch könne man "die Todesstrafe für Unternehmen verhängen", die Reverse Engineering betreiben. Dies sei jedoch nicht perfekt, räumte er ein. Aktuell wird beispielsweise in dem Projekt AnoMed die Anonymisierbarkeit von Daten erforscht. Es kann allerdings noch dauern, bis die Forschungsarbeiten beendet sind.

Wir befänden uns derzeit im Wettbewerb mit chinesischen Krebsforschern, sagte Lauterbach auf der Konferenz. Sofern Europa und die USA nicht "hinterherlaufen wollen", müssten sie sich zusammentun. Ähnlich sieht es auch der US-amerikanische Diplomat und Botschafter Woodward Clark Price: Der "verbesserte grenzüberschreitender Austausch von Gesundheitsdaten wird neue Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung eröffnen, was wiederum zu einer qualitativ hochwertigeren Gesundheitsversorgung führen wird". Seiner Ansicht nach seien die Vereinigten Staaten und Deutschland bekannt für ihre Spitzenforschung, daher bringe die Vernetzung "enormes Potenzial".

"Lebensrettende Behandlungen, Impfstoffe und Richtlinien wurden in Rekordzeit möglich, dank des Austauschs und der Forschung von Gesundheitsdaten", sagt Clark Price. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 bezeichnete er als "eine der größten Errungenschaften in der modernen Medizin und ein großartiges Beispiel der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit". BioNTech und Pfizer hatten den ersten Coronavirus-Impfstoff entwickelt, der schnell die bedingte Zulassung erhielt. "Ich habe einen dieser Impfstoffe erhalten und es hat mir vielleicht das Leben gerettet", sagt Clark Price. Als entscheidend nennt er die Generierung der von den Aufsichtsbehörden geforderten Daten, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu beurteilen. Außerdem kündigte er an, dass mit dem Trusted Exchange Framework TEFCA in den USA bis Ende 2023 ein Netzwerk zum einfacheren Austausch von Gesundheitsdaten, live gehen soll.

Ebenfalls wurden auf der Konferenz Ergebnisse in Form von Ideen und Absichtserklärungen vorgestellt, die jedoch noch etwas unkonkret waren. Ohne Wettbewerb soll demnach ein Basismodell für eine "föderierte Plattform" für den transatlantischen Datenaustausch am Beispiel von Krebs entwickelt werden – unter Berücksichtigung "regulatorischer und technischer Probleme". Politische, rechtliche und technische Werkzeuge sollen dabei helfen, etwa für den öffentlichen Sektor, Zugriffe auf Gesundheitsdaten zu ermöglichen.

Regulatorische Hürden beim Einsatz von KI überwinden

(Bild: Manuel Recker)

Ein "Regulatory AI Fact Sheet" ist dafür gedacht, Anwendern beim Ermitteln der Risiken von KI-gestützten Tools zu helfen und die "AI-Readiness" der Ärzte, Entwickler, Patientenorganisationen und weiteren zu ermitteln. Sobald die KI-Tools zum Einsatz kommen dürfen, können die Patienten mithilfe der KI-gestützten Programme untersucht werden.

Wie bereits am ersten Konferenztag von Lauterbach und Jochen Lennerz von der Harvard Medical School in Boston erwähnt, seien große Datenmengen für die Krebs(früh)erkennung notwendig. Um anderen mit den bisherigen Erfahrungen zu helfen, seien die meisten Menschen gerne bereit, ihre Daten zu teilen. Darüber müssen sie jedoch aufgeklärt werden "How will my data help me and others?".

Daten gegen Krebs

(Bild: Manuel Recker)

Ein "Cancer genome tracker" soll demnach miteinander verbundene Datenflüsse mit Genomdaten analysieren – dank einer "Federated Learning Study", nach welcher keine Daten geteilt, sondern lokal analysiert werden sollen. Eine Ausnahme bildet da wohl die International Patient Summary, die ebenfalls eingesetzt werden soll. Mögliche Probanden können nach einer Information der Ärztinnen und Ärzte auch einer breiten Einwilligung (broad consent) zustimmen, ohne immer wieder nach dieser gefragt zu werden. Geplant ist, dass zwei bis drei Krebszentren in Deutschland und den USA das Projekt im Rahmen einer Pilotphase angehen, um einen standardisierten, DSGVO-konformen Datenfluss zu entwickeln.

(mack)