heise meets… Trendwende – Politik und Staaten denken nicht mehr global

"Wandel durch Handel" sei vorbei. "Durch den Krieg in der Ukraine ist allen bewusst geworden, dass die Welt sich verändert hat", sagt Dr. Katrin Suder.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Gisela Strnad
Inhaltsverzeichnis

In Ihrem Buch "Das geopolitische Risiko" beschreibt Dr. Katrin Suder gemeinsam mit Jan Kallmorgen, in welchem Veränderungsprozess die Welt sich gerade befindet und wie sich Unternehmen schnellstens darauf einstellen müssen. Derzeit beobachten wir eine geopolitische Trendwende zur Fragmentierung und Blockbildung. Es entstehen immer mehr nationale Lösungen, weil Politik und Staaten nicht mehr in globalen Gefügen denken, sondern ihre eigenen Vorteile suchen.

Der Ukraine-Konflikt habe die Blockbildung verstärkt. Hier entstehe ein Gegeneinander demokratischer und autokratische Staaten. Handelsbeschränkungen würden immer mehr zur Waffe. "Die großen Probleme der Welt, wie zum Beispiel Klimaziele und Nachhaltigkeit, werden wir aber nur gemeinsam lösen können", sagt Dr. Katrin Suder. Deutschland war in den vergangenen 30 Jahren der große Gewinner der Globalisierung. Unser Bruttoinlandsprodukt hat sich verdreifacht und unser Außenhandel verzehnfacht. Dieses Geschäftsmodell aber verändere sich, weil sich einzelne Staaten immer mehr zurückziehen.

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Dr. Katrin Suder beschreibt: "Wir leben in einer neuen Weltordnung. Ich mag vieles daran nicht, weil es innovationsfeindlich ist, nationalistisch und zu mehr Konflikten führen wird. Aber je eher wir es akzeptieren, desto eher können wir an Veränderungen arbeiten. Wir müssen es miteinander gestalten, um Souveränität zu gewinnen. Wir müssen raus aus der Ohnmacht."

Die Strategie Chinas sei sehr klar, erklärt sie. "Ökonomisch will China Weltmarktführer in Hightechindustrien werden. Geopolitisch mindestens regional Hegemonialmacht in Asien und weltweit Einfluss nehmen. Alles passiert sehr systematisch und ganz klar", sagt Suder. Europa und Deutschland hätten bislang indes noch keine klar kommunizierte Gegenstrategie.

Die Gefahr eines durch China forcierten Krieges sieht Suder aus unterschiedlichsten Gründen derzeit nicht, zumal das Land viele andere Machthebel aufgebaut habe. Für deutsche Unternehmen könne es dazu kommen, dass sie sich entscheiden müssen, wo Sie stehen wollen im Machtkonflikt zwischen den USA und China – es kann sein, dass zukünftig nicht mehr beides geht. Die ersten Unternehmen schauen bereits nach Alternativen außerhalb Chinas.

Unternehmen haben lange nicht erkannt, dass "Wandel durch Handel" vorbei ist. (Dr. Katrin Suder)

Für Investoren, Stakeholder und Unternehmen wird es immer wichtiger, nach klaren ESG Regeln zu handeln (E – Environment/Umwelt, S – Social/Gesellschaft/Arbeitsrechte und G – Governance/Aufsichtsstrukturen/Compliance/Menschenrechte). Derzeit treiben Stakeholdergruppen diese Themen. "Gewinn mit Sinn" ist eine neue Herausforderung, aber auch Chance geworden. Laut Katrin Suder hat es für Unternehmen durchaus Vorteile: "Es ergeben sich neue Zugänge zu Finanzmärkten, es können neue Geschäftsmodelle entwickelt werden und andere Erfolge am Markt sind erreichbar, da immer mehr Kunden und Mitarbeiter auf ESG Regeln achten." Auch geht es nicht mehr ausschließlich um Klima, sondern um die Kombination aller drei Faktoren.

"Technologiepolitik ist Sicherheits- und Geopolitik geworden, damit Staaten und Unternehmen auch in Krisenzeiten nicht abhängig sind und Wahlfreiheit haben. Heute sind wir abhängig", sagt Katrin Suder. Europa und Deutschland sind gerade dabei, den Anschluss zu verlieren, da wir es leider nicht geschafft haben, uns digital souverän aufzustellen.

Was ist digitale Souveränität? Es bedeutet "Wahlfreiheit". Ein erster Schritt heraus könnte der "EU-Chip Act" sein und das damit geplante Chip Ökosystem in Europa. Der Ukraine-Krieg zeigt die Gefahren von Abhängigkeiten: "Etliche Staaten, die EU und auch die Bundesrepublik haben dazu gelernt und sind aufgewacht", so die Aussage von Dr. Katrin Suder.

"Deutschland hat hervorragende Forschung und großartige Erfinder. Wir dürfen nicht vergessen, was wir können. Bislang haben wir uns bei der Skalierung schwergetan und im Vergleich zu anderen Regionen fehlt uns Kapital", stellt Dr. Katrin Suder fest. "Hard- und Software müssen zusammen gehen. Wir sind in vielen Bereichen exzellent, zum Beispiel im Maschinenbau oder im Umfeld von Automotiv. Wir dürfen die anderen nicht dominieren lassen."

"Seit Jahren sprechen wir davon, dass wir diverser werden müssen. Wir müssen es aber auch wirklich wollen. Viele Gründe sprechen dafür, es gibt aber noch nicht genügend Menschen, die es wirklich wollen", beklagt Dr. Katrin Suder. Große Sorge bereitet ihr, dass das Thema immer wieder durch andere aktuelle Themen (Corona, Ukraine-Krieg) verdrängt wird. "Das dürfen wir nicht zulassen", appelliert sie.

"Geopolitische Betrachtungen waren in der Vergangenheit nicht im Fokus von Unternehmen. Dies muss sich zukünftig verändern. Jede Unternehmensentscheidung muss Geopolitik im Blick haben", fordert Dr. Katrin Suder. Zukünftig sollten Geopolitik, Public Affairs, Strategie und Kommunikation im Unternehmen enger zusammenarbeiten und gemeinsam die Businessstrategie entwickeln. Insgesamt müssten Unternehmen politischer werden.

(bme)