ifo-Institut: Längere AKW-Laufzeiten brächten 4 Prozent geringeren Strompreis

Wenn alle drei noch bestehenden AKW in Deutschland weiter laufen würden, könnte der Strompreis im kommenden Jahr etwas sinken, meint das Wirtschaftsinstitut.

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Das Atomkraftwerk Neckarwestheim ist eines von dreien, die in Deutschland noch laufen.

(Bild: EnBW)

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Wenn die Laufzeiten der drei deutschen Atomkraftwerke verlängert würden, könnte dadurch im kommenden Jahr der Strompreis um 4 Prozent sinken. Das hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München – kurz ifo-Institut – nach eigenen Angaben berechnet. Dabei geht es davon aus, dass die drei AKW rund 4 Prozent des Stroms in Deutschland erzeugen würden.

Der Anteil des Erdgases an der Stomerzeugung würde von 8,3 auf 7,6 Prozent sinken, schreibt Stromexperte Dr. Mathias Meier, wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut. Atomkraft ersetze Erdgas nicht 1:1, sondern kurzfristig vor allem auch Kohle.

Gaskraftwerke glichen vor allem Schwankungen der Nachfrage und der erneuerbaren Energien aus, erklärt Meier, Atomkraft sei dazu ungeeignet, die Kostenstruktur verlange nach einem Dauerbetrieb. "Laufzeitverlängerte Atomkraftwerke in Deutschland sparen nur geringe Mengen an Erdgas ein und behindern im Gegenzug mittelfristig den Ausbau der erneuerbaren Energien", heißt es in der Studie. Die Laufzeitverlängerungen würden somit nicht zu einem geringeren CO₂-Ausstoß führen.

Für die Betreiber der Atomkraftwerke schätzt Meier, dass deren Gewinne im laufenden Jahr wegen der hohen Erdgaspreise unerwartet um 7,9 Milliarden Euro höher ausfallen werden. Auch andere Betreiber erwirtschafteten hohe unerwartete Gewinne.

Der Strompreis sei letztlich immer so hoch wie die marginalen Kosten des teuersten Kraftwerks im Einsatz, erläutert Meier. Die Diskussion über das Strommarktdesign hält er für "nicht zielführend, weil der Strommarkt funktioniert. Was nicht funktioniert, ist der Erdgasmarkt. Da wurde politisch schlecht diversifiziert".

"Die Erdgaspreise sind auf einmal zehnmal so hoch wie prognostiziert", erläutert Meier. Wäre entsprechend geplant worden, hätte es je nach politischer und gesellschaftlicher Akzeptanz unterschiedliche Wege gegeben. Einige Länder hätten möglicherweise vor 20 Jahren begonnen, Atomkraftwerke zu planen, genehmigen zu lassen und zu bauen, diese wären genau 2022 fertig geworden. Andere Länder hätten massiv in mehr Windturbinen und Photovoltaik-Anlagen investiert. Stark erdgasabhängige Länder hätten ihr Kraftwerksportfolio weiter diversifiziert und auch Steinkohlekapazitäten aufgebaut. "Die Pipeline Nord Stream 2 wäre nicht ge-, sondern LNG-Kapazitäten aufgebaut und das Pipeline-Netz nach Spanien, Richtung Türkei, den Kaukasus und Nordafrika gestärkt worden", schildert Meier.

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Die Determinanten des künftigen Stromverbrauchs seien noch nicht bekannt, insbesondere nicht, wie verfügbar Erdgas im kommenden Winter sein werde. Daher könne es nach Meiers Meinung sinnvoll sein, sich die Option Atomstrom offenzuhalten, auch über eine krisenbedingte, kurzfristige Laufzeitverlängerung im kommenden Jahr hinaus.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)