re:publica: Vom Klimawandel-Leugner über die Querfront zum Corona-Verschwörer

Seite 2: Sensationelle Inhalte hochgepusht

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Verschwörungstheorien, Hate Speech und Hetze bedrohten darüber hinaus die Demokratie, monierte Ben Scott von der Denkfabrik Reset in einem Panel zu Desinformation auf der parallel gestreamten Media Convention Berlin. Der von den Big-Tech-Firmen praktizierte Überwachungskapitalismus befördere diese Entwicklung. Diese seien nur darauf aus, "dass wir am Bildschirm bleiben und Anzeigen gucken". Sensationelle Inhalte würden daher mit Algorithmen hochgepusht. "Fake Accounts" und Bots täten das Übrige, um eine Story aufzublasen. Dagegen helfe nur, die Datensammlung einzuschränken, das Kartellrecht nachzujustieren, Clickbaits zu verbieten und in Medienkompetenz zu investieren.

Der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Tobias Schmid, sprach sich dafür aus, die reine Selbstregulierung der großen Plattformen im Kampf gegen Falschnachrichten in eine den Staat einbindende Ko-Regulierung weiterzuentwickeln. Nötig sei ein Gesetz gegen Fake News, um die "unheimlich sensible Balance" in diesem Bereich zu halten. "Wir agieren am offenen Herzen der Meinungsfreiheit", gab der frühere RTL-Medienpolitikchef zu bedenken.

Auf Basis eines aktuellen Berichts der Europäischen Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (Erga) kritisierte Schmid, dass sich die Wirksamkeit des etwa von Facebook, Google, Microsoft und Twitter unterzeichneten EU-Verhaltenskodex zum Kampf gegen Desinformation von außen nur schwer überprüfen lasse. Herausgegebene Daten seien meist nicht auf Mitgliedsstaaten heruntergebrochen und es bleibe offen, ob sie vollständig oder manipuliert seien. Am künftigen Medienstaatsvertrag der Länder begrüßte er vor allem, dass die Regulierer künftig gegen Verstöße gegen journalistische Sorgfaltspflichten auch im Internet vorgehen könnten. So lasse sich zumindest ein "Teil von Fehlinformation" aussortieren, der "im Gewand des Journalismus" mit "perfider Wirkmacht" daherkomme.

Betreiber sozialer Netzwerke hätten ein Eigeninteresse, "Falschinformationen ausfindig zu machen und zu reduzieren", hielt Googles hiesige Regulierungschefin Sabine Frank dagegen. Das Vertrauen der Nutzer und der Werbetreibenden wäre sonst rasch dahin. In der Corona-Krise verlinke die Tochterfirma YouTube schon auf der Startseite auf Qualitätsinhalte, die Sichtbarkeit "grenzwertiger" Beiträge werde reduziert, eindeutig rechtswidrige entfernt. Just bei Desinformation und Verschwörungen handle es sich aber um eine "raffinierte Verflechtung von Wahrem und Falschem", warf Juliane von Reppert-Bismarck von der Organisation Lie Detectors ein. An diesem Mix scheitere so mancher von den Plattformen eingesetzte Algorithmus. (kbe)