Assange: Mutmaßliches schwedisches Opfer fordert Rücktritt des UN-Folterexperten

UN-Sonderberichterstatter Melzer wittert im Fall Assange eine "konstruierte Vergewaltigung", eine Schwedin darin wiederum eine "patriarchalische Technik".

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Assange: Mutmaßliches schwedisches Opfer fordert Rücktritt des UN-Folterexperten

(Bild: Londisland/Shutterstock.com)

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Die Missbrauchsvorwürfe aus Schweden gegen Julian Assange ebben nicht ab. Der Uno-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hatte den dortigen Behörden unterstellt, eine Vergewaltigung durch den Wikileaks-Gründer konstruiert und diesen daraufhin neuneinhalb Jahre gezielt in der Schwebe gelassen zu haben. Eine der beiden Frauen, die 2010 in Stockholm zur Polizei gingen und einen Aids-Test forderten, nachdem der Politaktivist sie bedrängt habe, wehrt sich nun gegen die Einmischung Melzers.

Noch nie habe sie sich "so sehr missbraucht gefühlt" wie durch Assange, zitiert der Spiegel aus einer Eingabe der Schwedin Anna A. an das Büro des UN-Beauftragten. Mit seinem Verweis auf umgedeutete Aussagen, schwere Manipulationen und falsche Verdächtigungen schiebe Melzer die Schuld den Betroffenen zu. Dabei handle es sich um "eine klassische patriarchalische Technik, die Bedingungen dafür zu definieren, wie 'ein echtes Vergewaltigungsopfer' sich zu verhalten habe".

A. hält dem Experten für humanitäres Völkerrecht dem Bericht nach ferner vor, sie persönlich zu verleumden und teils die Unwahrheit über die Ermittlungen verbreitet zu haben. Sie verneinte damit die Bereitschaft Assanges, zu den Vorfällen auszusagen. Ein solches Vorgehen sei "vollständig inakzeptabel, schockierend und ein Grund, seine Tätigkeit bei der Uno zu beenden".

Das mutmaßliche Opfer und Melzer hätten zuvor bereits per E-Mail miteinander kommuniziert, heißt es weiter. Darin habe sich der Sonderberichterstatter offen gezeigt, seine Aussagen ein Stück weit zu revidieren. "Mein Verständnis der Sachlage ist vielleicht noch unvollständig", soll Melzer eingeräumt haben, dem nach eigenen Angaben aber alle einschlägigen Dokumente vorlagen. Die schwedische Regierung sei auf seine detaillierten Fragen nicht eingegangen. Er habe zudem deutlich gemacht, dass er sich in Bezug auf die Ereignisse in Stockholm kein Urteil über Assange anmaße.

Melzer bleibt demnach weiter bei seiner Ansicht, dass vor allem die 2010 gemachten Aussagen des zweiten mutmaßlichen Opfers "absichtlich verzerrt, verbreitet, weitergeführt und instrumentalisiert" worden seien, um Assange zu schaden. Allerdings soll er dies gegenüber A. eingeschränkt haben: "Ich glaube nicht, dass Ihre eigenen Angaben durch die Polizei fingiert worden sind."

Schweden hatte im November die Ermittlungen gegen den Wikileaks-Gründer wegen Vergewaltigung endgültig eingestellt, da sich die Beweislage abgeschwächt habe. Kritiker werfen Melzer derweil vor, sich in eine Verschwörungstheorie hineingesteigert zu haben. Auch 300 Menschenrechtsanwälte und Rechtsprofessoren aus zahlreichen Ländern hatten Äußerungen des UN-Vertreters schon im Sommer als "in Bezug auf sexuelle Gewalt sowohl rechtlich abwegig als auch schädlich" kritisiert.

Melzer wies dies zurück, betonte aber, dass prinzipiell jedes Opfer unterstützt und ernst genommen werden muss, das mutig genug ist, sexuellen Missbrauch anzuzeigen". Gegen Assange läuft momentan in Großbritannien ein Auslieferungsverfahren an die USA wegen Verstößen unter anderem gegen den dortigen "Espionage Act" aufgrund Veröffentlichungen auf Wikileaks. (olb)