Auto-Kaufprämie: Autoindustrie stark in der Kritik

Während die Autoindustrie staatliche Hilfen für verschiedene Antriebe fordert, halten Kritiker zusätzliche Subventionen für fehl am Platze.

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Auto-Kaufprämie: Autoindustrie stark in der Kritik

Die Autoindustrie fordert eine "möglichst breite Förderung", Kritiker wollen – wenn überhaupt – nur umweltfreundliche Antriebe gefördert wissen.

(Bild: Mit Material von vda.de)

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Vor dem nächsten "Autogipfel" am Dienstag geht der Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern neuer Staatshilfen für Autoindustrie. Die Chefin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, bekräftigte, rasche Beschlüsse seien nötig. "Es muss schnell politisch entschieden werden, damit es eine Klarheit im Markt gibt", sagte sie der Welt am Sonntag. Auch VW-Chef Herbert Diess sprach sich erneut dafür aus.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz lehnte hingegen eine schnelle Entscheidung über staatliche Hilfen für die Automobilindustrie ab. Der SPD-Politiker plädierte für ein umfassendes Programm zur Belebung der Konjunktur. In der ARD-Talkshow "Anne Will" sagte Scholz zudem in Richtung Autoindustrie: "Ich glaube, viele haben verstanden, dass wenn man Staatshilfe in Anspruch nimmt, das Zahlen von Dividenden und Boni eine sehr komplizierte Idee ist, um es einmal höflich auszudrücken."

Die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte eine Kaufprämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in der Augsburger Allgemeinen einen sozial ungerechten, ökologischen und ökonomischen Unsinn. Die deutsche Autobranche sei zudem weniger stark als andere Branchen vom Shutdown beeinträchtigt. Zudem könnten sich zurzeit nur wenige ein neues Auto leisten: "Eine Kaufprämie in Deutschland ist also eher ein populistisches Strohfeuer, konjunkturell unwirksam und nichts als rausgeschmissenes Geld", kritisierte die Professorin.

Die Wirtschaftsprofessorin Monika Schnitzer, die neuerdings dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört, sieht in der Kaufprämie "puren Lobbyismus". Der Rheinischen Post sagte sie, durch solche Kaufanreize würden "Käufe vorgezogen, die in den Folgejahren fehlen". Die Nürnberger Ökonomin Veronika Grimm – wie Schnitzer ebenfalls "Wirtschaftsweise" – meint, gefördert werden dürften nur nachhaltige Antriebe.

Viele Autohersteller fahren derzeit ihre Produktion nach mehreren Wochen Corona-Lockdown wieder langsam hoch. Die Verkäufe bleiben aber gering – fällt die Nachfrage noch länger aus, könnten übervolle Lager und ein stockender Materialfluss schon in kurzer Zeit zu neuen Probleme in den Fabriken und im Handel führen. Zudem sind zahlreiche Zulieferer auf ein wieder anziehendes Auto-Geschäft angewiesen.

Müller zufolge herrscht "doppelte Zurückhaltung": Potenzielle Käufer seien nicht nur durch die Corona-Krise selbst verunsichert. "Sobald eine Debatte stattfindet, ob der Staat mit einer Kaufprämie hilft, warten die Verbraucher natürlich ab, bis die Prämie tatsächlich kommt", sagte sie. Vor knapp zwei Wochen hatte Müller bereits betont, nur mit einer Breitenwirkung ergebe sich ein signifikanter Effekt auf die Kaufentscheidungen der Kunden.