Boeing sagt Embraer-Übernahme ab
Boeing storniert das Joint Venture mit Embraer. Die Brasilianer zürnen und verlangen Schadenersatz.
Boeing bläst die Übernahme seines brasilianischen Mitbewerbers Embraer ab. Laut Boeing hat Embraer Vertragsbedingungen nicht erfüllt. Aus Sicht der Brasilianer ist der Vorwurf unbegründet. Boeing suche eine Ausrede, um die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises nicht erfüllen zu müssen.
"Wir glauben, dass Boeing systematisch verzögert und wiederholt den Vertrag verletzt hat, weil es die Transaktion angesichts seiner eigenen finanziellen Situation, 737 Max und anderen Geschäfts- und Reputationsproblemen nicht umsetzen möchte", reagierte Embraer am Samstag. Selbst habe man alle Auflagen fristgerecht erfüllt, weshalb Boeing nun Schadenersatz leisten müsse.
Übernahmeabkommen sehen in aller Regel Vertragsstrafen für den Fall vor, dass ein Vertragspartner vor der Durchführung der Transaktion vom Vertrag zurücktritt. Erfüllt jedoch der andere Partner seine Verpflichtungen nicht, entfallen die Vertragsstrafen. Welche Bedingungen Embraer genau verletzt haben soll, geht aus Boeings Mitteilung nicht hervor.
Boeing-Krise wegen 737 Max, verschärft durch Corona
Das amerikanische Unternehmen steckt in einer schweren Krise. Die jungen Baureihen 737 Max 8 und 9 haben sich als in mehrfacher Weise mangelhaft entpuppt. Nach zwei Abstürzen mit rund 350 Todesopfern gilt für alle 737 Max 8 und 9 weltweit Flugverbot. Verschiedene Fluggesellschaften haben Bestellungen für Boeing 737 Max storniert und/oder fordern Schadenersatz wegen verspäteter Lieferung.
Nachdem es schon hunderte neue 737 Max gebaut hatte, die es nicht ausliefern kann, musste Boeing die Herstellung der 737-Max-Flugzeuge unterbrechen. Außerdem musste Boeing einen Milliardenkredit aufnehmen, braucht aber noch mehr Geld. Inzwischen ist durch die Coronavirus-Pandemie die Nachfrage sowohl nach neuen Flugzeugen als auch nach Ersatzteilen weggebrochen.
Boeing 80, Embraer 20
Im Juni 2018 hatten Embraer und Boeing die Gründung eines neuen Unternehmens vereinbart. Embraer sollte seine Linienflugzeug-Sparte einbringen und 20 Prozent der Anteile erhalten. Boeing sollte 80 Prozent übernehmen und dafür 4,2 Milliarden US-Dollar zahlen. Bis auf die EU-Kommission haben inzwischen alle relevanten Wettbewerbshüter den Deal genehmigt.
Im Jahr davor hatte Boeing-Rivale Airbus einen ähnlichen Handel mit dem kanadischen Konzern Bombardier geschlossen: Airbus übernahm knapp mehr als die Hälfte der Bombardier-Abteilung für die neuen Cseries-Düsenflugzeuge. Inzwischen besitzt Airbus drei Viertel und hat die Cseries in "Airbus A220" umgetauft. Das restliche Viertel steht im Eigentum der kanadischen Provinz Québec.
Erst vor einem halben Jahr hatten Boeing und Embraer sich auf ein zweites Joint Venture verständigt. Dabei geht es um die Vermarktung des Embraer C-390 Millennium, einem militärischen Transportjets, wobei Embraer 51 Prozent der Anteile halten soll. Dieses Projekt möchte Boeing fortführen. (ds)