Boomender Online-Handel fegt Arbeitsmarkt leer – Paketzusteller erhöhen Preise
Der Online-Handel beschert den Paketdiensten Wachstum, aber auch gestiegene Personalkosten. Gebühren sollen steigen – und neue Zustellwege gesucht werden.
Der boomende Online-Handel treibt die Nachfrage bei den verschiedenen Paketzustellungs-Diensten immer weiter nach oben. Die Paketflut stellt die Zusteller vor große Probleme, die Suche nach Fahrern erweist sich bei niedrigen Löhnen als Herausforderung.
"Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt", sagte Hermes-Deutschland-Chef Olaf Schabirosky dem Hamburger Abendblatt (Samstag). "Das E-Commerce-Wachstum war in den letzten Jahren sehr groß. Es gibt Mitbewerber, die in der Lage sind, höhere Löhne zu zahlen. Teilweise wird gezielt abgeworben. Im Laufe des Jahres haben wir dadurch etwa 1000 Fahrer verloren." Rund 10.000 Fahrzeuge fahren für den Dienst, im Weihnachtsgeschäft 13.000.
Gestiegene Personalkosten
Vor Weihnachten bleibt noch alles beim Alten – danach aber wollen Hermes und DPD ihre Paketpreise und die Post ihr Briefporto erhöhen. "Wir brauchen ein höheres Porto, weil unsere Personalkosten jedes Jahr um etwa drei Prozent steigen und gleichzeitig die Briefmengen um einen ähnlichen Wert sinken", sagte Post-Chef Frank Appel der Welt am Sonntag.
"Wir werden die Preise stärker differenzieren", sagte Schabirosky. "Das heißt unter anderem auch, dass die Haustürzustellung teurer werden wird." Das Unternehmen hatte bereits im Frühjahr seine Paketpreise um durchschnittlich 4,5 Prozent erhöht. Im kommenden Jahr werde es eine weitere, ähnliche Anhebung geben, kündigte Schabirosky an. "Insgesamt wollen wir den Preis für ein Paket um 50 Cent erhöhen. Das geht aber nur in mehreren Schritten." Ziel sei es, mit den Mehreinnahmen die Zusteller besser zu bezahlen. "Aktuell haben wir einen Mindestlohn von 9,50 Euro ausgerufen. In etwa vier Jahren kommen wir bei 12 Euro an", erklärte der Manager.
Frachtkosten, Mautgebühren, Tarifabschlüsse
DPD kündigte an, nach einer Steigerung in diesem Jahr von 4,5 Prozent zum Jahreswechsel die Preise um 6,5 Prozent zu erhöhen. "Auch in den kommenden Jahren werden kontinuierliche Preisanpassungen unvermeidbar sein", hieß es. Als Gründe wurden etwa höhere Frachtkosten, die Erweiterung der Maut oder Tarifabschlüsse aufgeführt.
Auch im Paketversand versuche die Post-Tochter DHL, Preiszuwächse durchzusetzen, sagte Appel. "Unsere Branche hat ein grundsätzliches Problem, weil die Zustellung zu gering bezahlt wird", erklärte der Post-Chef zur Begründung. "Faktisch sind die letzten 50 Meter bis zur Haustür der teuerste Teil unserer Dienstleistung. Genau dort lässt sich aber die Effizienz kaum mehr steigern."
Über einen Portoaufschlag speziell für die Haustür-Zustellung denke die Post aber nicht nach. "Wir zahlen am besten, etwa 98 Prozent der Pakete werden von eigenen Leuten zugestellt, die Tarifverträge besitzen", sagte ein Sprecher der dpa. Die Bezahlung liege deutlich über dem Mindestlohn, man arbeite wenig mit Subunternehmern.
Neue Wege der Paketzustellung
Auch der Internet-Versandhändler Amazon setzt neben der Zusammenarbeit mit Paketdiensten auf eigene Zusteller. Der US-Online-Handelsriese experimentiere verstärkt mit eigenen Lieferungen – "schon um zu lernen, wie man es noch besser machen kann und muss", sagte Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber dem Tagesspiegel (Montag). In der heißen Phase des Weihnachtsgeschäfts droht die Gewerkschaft Verdi dem Versandhändler wegen des anhaltenden Konflikts um verschiedene Tarifsysteme wieder mit Ausständen.
Bereits seit mehreren Jahren machen Amazons Versuche, in der Zustellbranche in Deutschland Fuß zu fassen, die Konkurrenten nervös. Schon 2015 starteten Amazon, DHL und Audi ein gemeinsames Pilotprojekt, bei dem Pakete in den Kofferraum eines Pkw zugestellt werden. Der Paketbote darf mit einem Einmalcode den Kofferraum eines Privatwagens per Smartphone-App öffnen, der Fahrzeughalter muss dazu den ungefähren Standort mitteilen. Die Paketzustellung in den Kofferraum war ursprünglich 2014 vom schwedischen Autohersteller Volvo eingeführt worden. Auch BMW und Smart experimentieren mit diesem Zustellmodell. Von dieser Idee ist auch Volkswagen so angetan, dass der Konzern ab 2019 ausgewählte Modelle mit dieser Möglichkeit ausrüsten will.
In den USA bietet Amazon bereits die Variante einer Zustellung in die Wohnung des Kunden an, auch wenn dieser nicht zuhause ist. Ein smartes Türschloss inklusive Kameraüberwachung soll dem Paketboten die Haus- oder Wohnungstür öffnen. Allerdings auch wirklich nur dem Paketboten – bei dieser Aufgabe schoss das System bereits einmal übers Ziel hinaus. Die Zustellung per Drohne sowie per Roboter wurde ebenfalls von mehreren Unternehmen ausprobiert.
(tiw)