Bürgerrechtler bringen bayerisches Polizeigesetz vors Bundesverfassungsgericht
Nach großen Teilen der Opposition im Bund legen jetzt auch Vertreter der Zivilgesellschaft Verfassungsbeschwerde gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz ein.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und das Bündnis "NoPAG" klagen gemeinsam in Karlsruhe gegen die jüngste Reform des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Die beiden Gruppierungen kündigten am Freitag in München an, die Beschwerde am Samstag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.
Der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer argumentierte, dass das Gesetz "hochproblematische Einzelmaßnahmen" erlaube wie "den Einsatz von Explosivmitteln zur Gefahrenabwehr oder von Staatstrojanern zu Überwachungszwecken". Zudem verstoße das PAG auch gegen zentrale rechtsstaatliche Grundsätze.
"Keine konkrete Anhaltspunkte für Bedrohung"
Unter den zehn Beschwerdeführern sind neben mehreren Rechtsanwälten viele Vertreter aus der Zivilgesellschaft. Sie wehren sich mit ihrer Klage vor allem dagegen, dass die bayerische Polizei nun schon bei einer nur "drohenden Gefahr" präventiv massiv eingreifen kann. So dürften Ermittler etwa Personen außerhalb ihrer Wohnungen durch V-Leute oder Drohnen überwachen lassen, Bildaufnahmen anfertigen und sich heimlich Zugriff auf technische Geräte wie Smartphones und Computer im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung sowie noch weitergehender heimlicher Online-Durchsuchungen verschaffen. Es müssten keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von den Betroffenen "überhaupt irgendetwas droht".
Durch das neue, im Mai mit der Mehrheit der CSU im bayerischen Landtag beschlossene Gesetz könne die Polizei wie ein Geheimdienst agieren, moniert Frederick Heussner von der NoPAG-Allianz, der über 80 Organisationen sowie Parteien angehören. Zu befürchten seien tiefe Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen. Diese könnten sich dagegen kaum wehren, da sie in der Regel nichts davon erführen.
Handgranaten und Panzerfäuste gegen Gefährder
Mit der Ermächtigung für die Polizei, etwa mit Handgranaten oder Panzerfäusten gegen Gefährder vorzugehen und dabei selbst höchstwahrscheinlich Unbeteiligte zu gefährden, hat sich der bayerische Gesetzgeber laut der Beschwerdeschrift "eine Logik des Kriegszustands und der Verrechnung von Leben gegen Leben zu eigen" gemacht. Dies stelle "einen unheilvollen Schritt in Richtung auf eine Militarisierung des Polizeirechts" dar. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht solchen Abwägungen bereits eine klare Absage erteilt.
Zuvor hatten im September bereits Bundestagsabgeordnete der FDP, der Linken und der Grünen eine sogenannte Normenkontrolle des bayerischen Polizeigesetzes in Karlsruhe beantragt. Das Bundesverfassungsgericht muss damit bereits prüfen, ob das PAG generell mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Einzelne Bürger müssen bei diesem Ansatz nicht erst nachweisen, dass sie etwa durch eine konkrete polizeiliche Maßnahme von der Novelle individuell betroffen sind. (anw)