Copyright-Reform: EU-Staaten einigen sich auf Upload-Filter und Leistungsschutzrecht
Der EU-Rat hat sich auf einen gemeinsamen Kurs für eine neue Urheberrechtsrichtlinie verständigt. Online-Plattformen müssen demnach in der Regel die Uploads von Nutzern überwachen. Zudem solle eine "Google-Steuer" kommen.
Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Coreper) des EU-Ministerrats hat am Freitag eine gemeinsame Position zu einer geplanten Richtlinie festgezurrt, mit der das Urheberrecht an die digitale Welt angepasst werden soll. Auf die Betreiber großer Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalte kommen damit nach dem Willen der EU-Länder deutlich ausgeweitete Pflichten zu: Sie müssen eine Genehmigung von den Rechteinhabern für Werke einholen, die sie der Öffentlichkeit zugänglich machen. Andernfalls sollen sie ohne entsprechende Lizenz alles in ihrer Macht Stehende tun, um etwa mithilfe "effektiver und verhältnismäßiger Mittel" die Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf ihren Portalen zu verhindern.
Im Endeffekt läuft diese Bestimmung in Artikel 13 des Richtlinienentwurfs auf eine Pflicht für einen Großteil der betroffenen Anbieter hinaus, die umkämpften Upload-Filter einzusetzen und den von ihren Nutzern hochgeladenen Content zu überwachen. Zudem müssten die Betreiber bei einem Hinweis auf eine Rechtsverletzung nachweisen, dass sie unverzüglich die einschlägigen Werke gelöscht oder den Zugang dazu verhindert haben. Andernfalls werden sie voll verantwortlich für die Aktivitäten ihrer Nutzer.
Art und Größe der Dienste sollen berücksichtigt werden
Bei den zu ergreifenden technischen Maßnahmen gegen den Upload geschützter Inhalte soll unter anderem die Art und die Größe der Dienste berücksichtigt werden. Vor allem sollen Kleinstunternehmen von den Filterauflagen ausgenommen werden. Auch die Menge und die Art der Werke, die hochgeladen werden, spielen dem Entwurf zufolge eine Rolle. Nicht zuletzt sollen in den Ermessensspielraum für die Pflicht die "Verfügbarkeit und die Kosten der Maßnahmen sowie deren Effektivität im Lichte der technischen Entwicklung" einfließen.
Mit der Bestimmung will der Rat die vielfach ins Feld gefĂĽhrte LĂĽcke zwischen den Werbeeinnahmen von Online-Plattformen wie YouTube und den vergleichsweise bescheiden ausfallenden VergĂĽtungen fĂĽr die KĂĽnstler und Produzenten ("Value Gap") verkleinern. Der Entwurfstext zielt daher auf Diensteanbieter, deren Hauptziel es ist, aus kommerziellen Zwecken Zugang zu groĂźen Mengen nutzergenerierter Inhalte zu vermitteln.
Links, "die keine Kommunikation an die Ă–ffentlichkeit darstellen"
Klassische Internetprovider, Cloud-Anbieter sowie traditionelle Online-Marktplätze sollen nicht erfasst werden. Auch Webseiten wie Online-Enzyklopädien, wissenschaftliche Archive oder Open-Source-Entwicklungsplattformen, die aus nicht-kommerziellen Zwecken den Zugang zu geschützten Inhalten anbieten, bleiben außen vor. Die Mitgliedsstaaten versuchen so der heftigen Kritik zu begegnen, die dem Vorhaben etwa vom Trägerverein der Wikipedia, Wikimedia, oder aus der Gemeinde der Entwickler freier Software entgegengeschlagen war. Die Bundesregierung sprach sich bei der Abstimmung im Sinne des schwarz-roten Koalitionsvertrag laut ersten Berichten dafür aus, die Upload-Filter aus dem Text noch deutlicher herauszubekommen.
Zugleich fordert der Rat mit seinem Papier ein nicht weniger umstrittenes Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet. Anders als im ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission soll dieses aber nicht 20 Jahre gelten, sondern zwölf Monate wie in Deutschland. Zudem bleibt es den Mitgliedsstaaten laut dem Kompromissansatz vorbehalten, "unerhebliche" Teile eines Artikels aus dem Geltungsbereich auszunehmen. Dies könnten etwa "einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte" in Form von Snippets sein, wie es das hiesige einschlägige Gesetz festlegt. Das vorgesehene neue Schutzrecht soll sich zudem nicht auf Links beziehen, wenn diese "keine Kommunikation an die Öffentlichkeit darstellen". Was diese kryptische Formulierung praktisch bedeutet, müssten wohl erst die Gerichte entscheiden.
Forschungseinrichtungen, Lernumgebungen, Kultureinrichtungen
Die von der Kommission bereits vorgesehene Ausnahme vom exklusiven Verwertungsrecht für Text- und Datamining im wissenschaftlichen Bereich wollen die EU-Länder etwas ausweiten. So sollen geschützte Informationen auch für eine automatisierte Computeranalyse offen stehen für Forschungszwecke in öffentlich-privaten Partnerschaften. Zudem soll es verbindliche Copyright-Einschränkungen bei Illustrationen geben, die für digitale Lernumgebungen verwendet werden, sowie zugunsten von Kultureinrichtungen wie öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven.
Trotz der eingebauten Zuckerstückchen hagelt es weiter Proteste gegen die Initiative. "Die Zensurmaschinen und das Leistungsschutzrecht kommen in die Zielgerade der EU-Gesetzgebung", beklagt etwa Julia Reda, die für die Piraten im EU-Parlament sitzt. Die letzten Entwürfe des Rates und des Berichterstatters der Abgeordneten, des CDU-Politikers Axel Voss, seien "immer noch weit davon entfernt, praktisch umsetzbar und verhältnismäßig zu sein". Es sei daher "genau jetzt der Moment, sich einzumischen". Der federführende Rechtsausschuss des Parlaments wird voraussichtlich Mitte Juni über seine Position abstimmen, im Anschluss geht das Dossier in die Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission.
Tödlicher Cocktail für EU-Bürger
Die Koalition Copyright for Creativity (C4C), der zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen und Wirtschaftsverbände angehören, spricht von einem "tödlichen Cocktail für die EU-Bürger, institutionelle Akteure, Startups und große Unternehmen" abgesehen von den Rechteinhabern, den die Vertreter der Mitgliedsstaaten angerührt hätten. Nun liege auf dem Parlament die schwere Verantwortung, das Schlimmste zu verhindern. (bme)