Coronavirus: Lebensmittel-Lieferdienste erleben späten Boom

Lange waren die Deutschen zurückhaltend, was Bringdienste für Artikel des täglichen Bedarfs anbelangt. Mit der Covid-19-Krise steigt die Nachfrage deutlich.

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Coronavirus: Lebensmittel-Lieferdienste erleben späten Boom

(Bild: Mircea Moira/Shutterstock.com)

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Die Supermärkte sind momentan voll, manche Regale wie etwa für Toilettenpapier, H-Milch oder Brot meist von Hamsterkäufern leergekauft. Die Coronavirus-Pandemie lässt aber nicht nur die Kassen in stationären Supermärkten klingeln, sondern kurbelt auch das lange Zeit von vielen Verbrauchern links liegen gelassene Geschäft von Online-Lieferservices für Lebensmittel & Co. deutlich an: Viele Kunden wollen auf Nummer sicher gehen, größere Menschengruppen im Laden und Schlangen an Kassen vermeiden sowie Produkte ergattern, die vor Ort momentan kaum zu bekommen, prinzipiell aber vorrätig sind.

Immer mehr Nutzer greifen so zum Smartphone oder Rechner, um sich Artikel des täglichen Bedarfs wie Nahrungsmittel oder Getränke nach Hause bringen zu lassen. "Im Onlinehandel spüren wir eine deutlich gesteigerte Bestellintensität", erklärte ein Sprecher von Rewe gegenüber der Welt. Teils komme es sogar zu längeren Wartezeiten: "In einzelnen Liefergebieten wie Berlin sind Zeitfenster für die nächste Lieferung erst nach Ablauf einer Woche verfügbar, in anderen Regionen schon am nächsten oder übernächsten Tag."

Nicht nur Deutschlands größter E-Commerce-Händler bei frischen Lebensmitteln profitiert von der Covid-19-Krise. Parallel verzeichnen auch reine Onlineanbieter in dem Bereich massive Steigerungsraten. "Wir erleben aktuell einen Anstieg in der Nachfrage um fast 50 Prozent", freut sich dem Bericht nach Frederic Knaudt, Mitgründer und Deutschlandchef des Lieferdienstes Picnic. Das Startup ist gegenwärtig vor allem im Westen Nordrhein-Westfalens präsent, meldet aber im gesamten Liefergebiet über alle Produktkategorien hinweg deutlich mehr Bestellungen.

An Amazon Fresh geht der neue Boom ebenfalls nicht vorbei. Vor allem die Zahl der Suchanfragen nach knappen Artikeln in der Lebensmittelsparte sei extrem hochgeschnellt, zitiert die Zeitung Nils Zündorf, Chef der Agentur Factor-A, die Händler des US-Konzerns berät. Die Umsätze hätten sich verdoppelt oder verdreifacht. Der Experte sieht hier einen Trend bereits vorgezeichnet: Das von der Epidemie in Europa besonders betroffene Italien bezeichnet er als "Blaupause für die Entwicklung in anderen Ländern". Dort seien Lebensmittel und Konsumgüter online "gefragt wie nie zuvor".

Einschlägige Lieferdienste, zu denen etwa auch Bringmeister von Edeka oder Mytime zählen, taten sich lange schwer. Frisches kauften die Bundesbürger bisher hauptsächlich bei Tante Emma um die Ecke, bei Discountern oder größeren Supermärkten. Die Verfügbarkeit und Alltagstauglichkeit sei allenfalls in der Großstadt für größere Zielgruppen gegeben, konstatierten Testkäufer der Verbraucherzentralen von Berlin und Brandenburg noch vor zwei Jahren. Anders als in der Hauptstadt und in Potsdam konnten die Prüfer im ländlichen Raum demnach nur eine Zustellung per Paketservice auswählen. Dies habe oft große Mengen an Verpackungsmüll und lange Lieferzeitfenster mit sich gebracht.

Der Marktanteil der Onlineanbieter stieg zuletzt zwar, doch die Zwei-Prozent-Marke war laut Statistiken jüngeren Datums noch lange nicht überschritten. Der Online-Reifen-Händler Delticom trennte sich in diesem schwierigen Umfeld jüngst sogar noch von seiner Online-Lebensmittelsparte. Seit einigen Wochen sind die Tore des Bringdiensts AllyouneedFresh sowie des Feinkostshops Gourmondo dicht. Der von der Firma noch betriebene Web-Supermarkt Lebensmittel.de soll ebenfalls bald schließen.

Die mit dem neuartigen Coronavirus verknüpften Unsicherheiten könnten das Einkaufsverhalten aber grundsätzlich und langfristig ändern, glaubt die Handelsforscherin Eva Stüber und verweist auf die Ergebnisse einer Studie des Kölner IFH-Instituts. Demnach seien 53 Prozent der Konsumenten zwar nach wie vor mit den Geschäften in ihrer Umgebung zufrieden. Die Lebensmittellieferung nach Hause erscheine vielen aber nicht nur "als bequemere Option für den Wocheneinkauf, sondern aktuell auch als die gefühlt sicherere".

Vor allem ältere Menschen würden jetzt auf den Online-Handel auch bei Lebensmitteln aufmerksam, meint auch Zündorf. Er geht davon aus: "Das wird bleiben. Die Leute gewöhnen sich daran und merken: Das funktioniert." Die Beratungsfirma Oliver Wyman sieht hier einen allgemeinen Trend: Der Onlineumsatz mit Lebensmitteln werde sich in Deutschland bis 2030 mindestens verfünffachen, prognostizierte sie jüngst. Die Kunden von morgen wollten auch ihre Waren des täglichen Bedarfs online klicken.

(bme)