"Deutschland fehlt ein klarer Zukunftskurs"

Bis 2030 wird sich viel verändern, aber wir sind unvorbereitet. Zukunftsforscher Burmeister fordert, dass Politik weiter blickt, als nur bis zur nächsten Wahl.

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Von
  • Anton Weste

100 Tage ist die von CDU/CSU und SPD gebildete Bundesregierung im Amt. Was sind die drängenden Aufgaben für die nächsten Jahre? Moderne Mobilität, Digitalisierung und Strukturwandel, soziale Frage, Wandel des Arbeitsmarkts. Was setzt die Impulse im Tagesgeschäft? Abgasskandal, Asylstreit und internationale Volten von Washington bis Ankara.

Zukunftsforscher Klaus Burmeister vermisst im Interview mit Technology Review (komplett lesen unter "Die Politik verspielt Zukunftschancen") ein vorausschauendes Handeln der Regierung. Es fehlen weiter greifende Ziele. "Nehmen wir als Beispiel die Europapolitik: Macron wartet auf deutliche Signale, doch Frau Merkel hat nur vorsichtig reagiert." Erst durch den Druck, den Präsident Trump auf die G7 und Europa ausübt, sei die Bundesregierung auf Frankreich zugegangen, erklärt Burmeister. "Oder etwa die Digitalisierungspolitik, ein wichtiges Areal der Industrie- und Innovationspolitik. Der Bundesrechnungshof hat kürzlich darauf hingewiesen, dass die momentanen Strategien nicht erkennen lassen, dass ein 5G-Ausbau in der gebotenen Zeit erfolgen wird."

Klaus Burmeister ist Teil der Initiative D2030, die einen unabhängigen Zukunftsdiskurs für Deutschland etablieren möchte. Unter neuen Formen der Beteiligung von Bürgern, Verbänden und Unternehmen soll das Land auf kommende Wandlungen und Brüche vorbereitet, "zukunftsresilient" werden.

Dafür hat D2030 aus 33 Schlüsselfaktoren zur Entwicklung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft acht Szenarien für Deutschland im Jahr 2030 entworfen. Manche davon wünschenswerter als andere. Diese Landkarte möglicher Zukünfte soll die Planung für eine zukunftsgewandte Politik erleichtern.

Die Regierung habe nun die Chance die im Wandel befindliche Arbeitswelt im Verein mit Unternehmen, Wissenschaft und den Betroffenen zukunftfest zu gestalten, sagt Burmeister. "In der Phase bis 2025, 2030 werden etwa 1,5 Millionen Arbeitsplätze verschwinden, aber ebenso viele neue Arbeitsplätze entstehen." Und sollte die Digitalisierung tatsächlich mehr Arbeitsplätze vernichten als erwartet, "sollten wir darauf vorbereitet sein, zum Beispiel durch angepasste Renten- und Sozialsysteme." Auch die Erprobung von Alternativen wie dem Grundeinkommen, dürfe kein Tabu sein.

Auch im Bereich Verkehrsplanung und Mobilität fehlt Burmeister das vernetzte Denken. "Wir verschwenden Energie auf die Frage nach Fahrverboten und dem Diesel," stellt er fest. "Das ist nicht zukunftsgewandt. Wir sollten lieber über Chancen diskutieren, die sich ergeben: Wie können wir die Städte entlasten von schlechter Luft? Wie können wir Stadt neu denken und organisieren, wenn autonome Mobilität kommt? Wie schaffen wir es, Arbeit und Lebensqualität auch in periphere Räume zu bringen?"

Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um Zukunftsfragen umfassend anzugehen. "Wir stehen ökonomisch sehr stark da. Es gab durch Steuereinnahmen noch noch nie so viel Geld wie heute, das eine Bundesregierung ausgeben kann." Aber dieser Vorteil könne verloren gehen.

Mehr dazu bei Technology Review Online:

(anwe)