Döpfner: Facebook muss Probleme mit "Fake News" selbst lösen

Einer der profiliertesten deutschen Medienmanager führt seit einigen Monaten den Verband der Zeitungsverleger. Springer-Chef Mathias Döpfner mahnt die Medien zu mehr Glaubwürdigkeit an – auch im Kampf gegen "Fake News".

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Mathias Döpfner

(Bild: dpa, Soeren Stache/Archiv)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Antje Homburger
  • Esteban Engel
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Gegen "Fake News" hilft nach Ansicht von Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), nur die hartnäckige Recherche der Medien. Weder eine staatliche Stelle oder Hilfen für Facebook seien geeignet, falsche Nachrichten in den sozialen Medien zu entlarven. "Der beste Garant für den mündigen Bürger ist die Vielfalt der Information, der Meinungen und Wahrheiten", sagte Döpfner (54), der auch Vorstandsvorsitzender von Axel Springer ist, im dpa-Interview.

Frage: Herr Döpfner, Politik und Medien beschäftigen sich aktuell mit dem Thema Fake News, also der Frage, wie man gefälschte Nachrichten erkennt und bekämpft. Für wie groß halten Sie das Problem?

Antwort: Das hat es schon immer gegeben. Es wurden seit Hunderten von Jahren auf dem Gemüsemarkt oder nach drei Bieren in der Kneipe Unwahrheiten gesagt und Gerüchte verbreitet. Im Zeitalter sozialer Medien bekommt das allerdings eine andere Wirkung. Jeder kann es sehen. "Fake News" ist eben nicht professioneller Journalismus, sondern genau das Gegenteil.

Wie sollten Medienunternehmen dann mit dem Thema umgehen?

Ich rate zu mehr Ruhe und finde es falsch, dass professionelle Medien jetzt sozialen Medien helfen sollen, "Fake News" zu identifizieren und Fakten zu checken. Wenn Soziale Medien nicht mehr Technologieplattformen, sondern Medienunternehmen betreiben wollen, dann müssen sie Redakteure einstellen, die Kosten einrechnen und sich mit einer anderen Regulierung auseinandersetzen. Denn wenn ein Technologie-Monopol fast zwei Milliarden Leser erreicht und die Inhalte-Auswahl kontrolliert, ist das das genaue Gegenteil von Vielfalt.

Facebook sucht in Deutschland Partner für das Faktenchecking – eine Rolle für Zeitungshäuser, eine Rolle für Ihr Haus? ARD und ZDF sind auch von Facebook angefragt worden.

Da bin ich sprachlos. Ich verstehe nicht, wie man Gebührengelder missbrauchen könnte, um das Glaubwürdigkeitsproblem eines Weltmonopols zu lösen, das Milliardengewinne erwirtschaftet. Ich hoffe, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Dazu eine Anekdote: Ein internationaler Verleger hat mir berichtet, dass Facebook bei ihm nach "Fact-Checkern" gefragt hat. Der Verleger antwortete: "Ja, wir haben Fact-Checker – wir nennen sie Journalisten." Genau das ist es: Unsere beste Methode, die Leute vom Konsum von Fake News abzubringen, ist, wenn wir authentisch und wahrhaftig berichten. Das ist die Aufgabe von Zeitungen.

Die Bundesregierung will offenbar ebenfalls aktiv werden und Aufklärung gefälschter Nachrichten zur Regierungsaufgabe machen. Spötter sprechen von einem "Wahrheitsministerium", Sie auch?

George Orwell war harmlos dagegen. Ich habe den Eindruck, dass gerade ein paar Grundprinzipien freiheitlicher Gesellschaftsordnung mit Füßen getreten werden. Viele böse Dinge dieser Welt begannen im Namen der guten Absichten. Die gute Absicht heilt den Bruch eines Prinzips nicht. Was Wahrheit ist, definiert keine Regierung, auch nicht Facebook. Und was den Menschen zuzumuten ist, sollten nicht Zensurbehörden definieren. Der beste Garant für den mündigen Bürger ist die Vielfalt der Information, der Meinungen und Wahrheiten unterschiedlicher Verleger, TV- und Radiosender oder Online-Anbieter.

Seit Jahren wollen die Verleger, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Textangebot im Internet begrenzen, weil sie das als Konkurrenz empfinden. Der BDZV verhandelt schon lange darüber mit der ARD. Wie weit sind die Gespräche?

Fakt ist: ARD und ZDF sind im Internet Verleger geworden. Deren Angebote sehen mehr oder weniger wie die von Zeitschriften und Zeitungsverlegern im Netz aus. Da die Öffentlich-Rechtlichen das mit Gebührengeldern finanzieren – und für den Nutzer das Angebot gefühlt kostenlos bleibt – können wir das als Wettbewerbsverzerrung nicht akzeptieren. Wir sind in Gesprächen, es gibt einen Einigungsvorschlag der ARD-Intendanten, die auf die Unterscheidbarkeit der Angebote abzielt. Das Präsidium des BDZV hat diesen Vorschlag akzeptiert und unterschrieben. Jetzt warten wir auf die ARD-Intendanten. Wenn es nicht zu einer Einigung kommt, ist nach so vielen Jahren dann auch unsere Geduld am Ende. Dann werden wir juristisch die Schritte einleiten, die man schon lange hätte unternehmen können. Aber ich bin zuversichtlich.

Wann rechnen Sie mit einer Entscheidung?

Sehr bald. In diesem Monat.

Immer wieder wird eine Finanzierung von Qualitätsjournalismus über Stiftungen ins Gespräch gebracht. Könnte das ein warmer Regen wie die Google News Initiative für die Medien werden?

Nein, das wäre das Ende. Ein Zeitungsjournalismus, der nur von Stiftungen getragen wird und ein reiner Subventionsempfänger ist, kann seine Aufgabe nicht mehr erfüllen. Seit vier Jahrhunderten hat sich ein wunderbarer Wettbewerb basierend auf dem Prinzip der privatwirtschaftlichen Finanzierung etabliert. Wenn am Ende aber nur noch Stiftungen einspringen, wäre das ein Signal der Schwäche. Man würde das Leiden auf eine für die Presse besonders unangenehme Weise verlängern, weil dann politische Parteien in den Gremien entscheiden würden. Das wäre Staats-Presse, man könnte nicht mehr von einem freien, regierungskritischen und unabhängigen Journalismus sprechen. Einer solchen Bedrohung können wir nur standhalten, wenn die Verlage wirtschaftlich erfolgreich sind.

Haben Sie Forderungen an die Politik?

Es ist nicht einzusehen, dass der digitale Journalismus nicht denselben bevorzugten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent hat, wie im Print. Das sind Dinge, für die wir kämpfen. Aber das ist das Gegenteil von Subventionen und Stiftungen. Die Politik sollte überlegen, wie sie uns Knüppel, etwa Überregulierung, weltfremden Datenschutz oder einen überzogenen Mindestlohn im Vertrieb, erspart. Also bitte nicht erst erwürgen und wenn wir schon fast tot sind, sagen: Hier ist noch ein bisschen Sauerstoff aus der Staatskasse.

Wie sehen Sie die Debatte um vermeintlich staatstragende Medien, gibt es eine zu große Nähe von Politik und Medien?

Wir werden mittlerweile von vielen als Teil einer großen Eliten-Kungelei wahrgenommen. Statt Facebook zu helfen, sollten wir unsere Hausaufgaben machen. Die heißen: Vertrauen schaffen für das und durch das, was wir veröffentlichen. Denn die Glaubwürdigkeit von Zeitungen ist zurückgegangen. Und warum ist das so? Doch nicht wegen Bösewicht Facebook. Vielmehr haben wir selbst offenbar etwas nicht richtig gemacht. Vielleicht sprechen wir zu sehr wie Politiker, in Worthülsen, Sprechblasen, in politisch-korrekt abgeschliffenen Formulierungen. Vielleicht transportieren wir zu oft Wünsche, wie etwas sein müsste und zu selten Fakten, Tatsachen, schonungslose Beobachtungen. Vielleicht haben wir auch durch weltfremde Political Correctness Vertrauen eingebüßt.

Trump twittert, die AfD nutzt Facebook zur Kommunikation mit Wählern wie zum Erzielen medialer Aufmerksamkeit. Wenn das weiter Schule macht, was können Medien tun, um relevant zu bleiben?

Wir sehen einen wachsenden Graben zwischen politischen Eliten und den Medien auf der einen Seite und der sogenannten normalen Bevölkerung auf der anderen. Das muss man ernst nehmen. Ein guter Journalist redet mit jedem, auch mit halbseidenen Figuren, zur Not auch mit Verbrechern und Diktatoren, aber hält bei allen, selbst bei Idealisten und Weltverbesserern, den nötigen Abstand. Und dieser Abstand ist in einigen Fällen immer geringer geworden. Manche Journalisten verstehen sich inzwischen als Politikberater und betreiben einen Journalismus, der sich an ein paar Eingeweihte richtet, denen sie Codewörter zurufen. Der eigentliche Empfänger ist nicht mehr der normale, intelligente, aufgeschlossene, aber nur bedingt informierte Leser, sondern die Kollegen, Politiker, Künstler oder Wirtschaftsführer. (axk)