E-Government-Misere: Deutschland fällt im EU-Digital-Index zurück
Die Bundesrepublik hat sich im "Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft" der EU-Kommission zwar ganz leicht verbessert, konnte ihren Platz gegenüber stärker aufholenden Mitgliedsstaaten aber nicht verteidigen.
Kein sonderlich gutes Zeugnis stellt die EU-Kommission mit ihrem "Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft" der Bundesrepublik aus. "Bei der Frequenzzuteilung ist Deutschland einer der Vorreiter", heißt es zwar in dem Bericht. Die deutschen Bürger und Unternehmen lägen auch bei der Internetnutzung allgemein über dem EU-Durchschnitt und "machten sich aktiv mit den Möglichkeiten des elektronischen Handels vertraut". Die "größte Herausforderung" für die Verwaltung bestehe aber darin, "die Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgern zu verbessern". Nur 19 Prozent der Bevölkerung nutzten E-Government-Dienste.
Von Platz 9 abgerutscht
Seit 2015 misst die Kommission den Vernetzungsgrad der Mitgliedsstaaten. Deutschland landete damals im vorderen Mittelfeld auf Rang 10. 2016 konnte sich die Bundesrepublik zunächst auf Platz 9 schieben und diesen auch in einem "Fortschrittbericht" vom Mai noch halten, doch spätere "leichte Änderungen bei der Auswahl der Indikatoren" führten dazu, dass es schon im vorigen Jahr letztlich nur noch für Position 11 reichte, wie es in der aktuellen Ergebnistafel nun heißt. Diesen nachträglich verschlechterten Rang hielt Deutschland nun, kommt aber nicht mehr auf die Stufe von 2015 zurück.
Insgesamt verbesserte sich der Indexwert 2017 für die Bundesrepublik zwar minimal von 0.54 im Vorjahr auf 0.56. Dies reicht aber nicht, um unter die Top 10 der EU-Digitalnationen zu kommen und an Österreich oder Estland vorbeizuziehen. An der Spitze stehen die skandinavischen Länder Dänemark, Finnland und Schweden.
Vergleichsweise gut da steht Deutschland in der Internetverbindung, hier reicht es für Platz 7 im EU-Vergleich. Beim "Einstieg in die Nutzung mobiler Breitbanddienste und schneller Festnetz-Breitbandanschlüsse" liegen die Bundesbürger aber hinter anderen Europäern zurück. 87 Prozent der Deutschen sind online, ihre digitalen Kompetenzen liegen "gut über dem Durchschnitt". Der Bericht zeichnet damit ein freundlicheres Bild als die hiesigen Digital-Index-Analysten für die Initiative D21. Vor allem beim Online-Shopping seien die Bundesbürger "sehr aktiv".
Kein Wachstum bei Open Data
Bei der Integration der Digitaltechnik macht Deutschland laut der Kommission "langsamen Fortschritt". Unternehmen seien zwar mit dem Einsatz von Software für den Informationsaustausch führend. Eine wachsende Zahl mittelständischer Firmen betreibe elektronischen Handel; allerdings sei ihr Umsatz aus dem Verkauf übers Internet rückläufig. Nach unten drückt Deutschland vor allem das Feld der digitalen öffentlichen Dienste, wobei nationale Umfragen hier ein wenig optimistischer sind. Dazu komme, dass auch bei Open Data "kein Wachstum zu verzeichnen" sei.
Insgesamt haben 76 Prozent der europäischen Privathaushalte Zugang zu einem schnellen Breitbandanschluss mit mindestens 30 MBit/s, wobei in einigen Mitgliedstaaten ein erheblicher Teil dieser Haushalte bereits über Anbindungen mit 100 MBit/s und darüber verfügt. Die Zahl der Verträge für Mobilfunk-Datendienste ist gestiegen: von 58 Vertragskunden je 100 Einwohner 2013 auf 84 Vertragskunden im vorigen Jahr. Zwischenzeitlich verzeichnet der Internetverkehr eine jährliche Zunahme um 20 Prozent bei einem Anstieg des mobilen Internets um über 40 Prozent jährlich.
79 Prozent der EU-Bürger nutzen mindestens einmal pro Woche das Internet, was einem Plus von drei Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entspricht. 78 Prozent Onliner wollen im Netz spielen oder Musik, Filme, Bilder und Games herunterladen. 70 Prozent lesen Nachrichten online, 63 Prozent sind in sozialen Netzen aktiv, 66 Prozent kaufen über das Internet ein, 59 Prozent machen Online-Banking.
44 Prozent haben keine grundlegenden digitalen Kenntnisse
Die Zahl der Absolventen in den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, den sogenannten MINT-Fächern, ist europaweit gestiegen, der Anteil der IT-Fachkräfte an den Arbeitnehmern hat sich leicht erhöht auf 3,5 Prozent. 44 Prozent der Europäer haben aber noch keine grundlegenden digitalen Kenntnisse, um etwa E-Mails zu versenden, Texte oder Bilder zu bearbeiten oder neue Geräte zu installieren.
Andrus Ansip, der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Kommissionsvizepräsident, appellierte an alle EU-Länder, mehr zu investieren. "Wir wollen bei der Digitalisierung kein Europa der zwei Geschwindigkeiten", betonte der Este. "Wir sollten alle zusammen darauf hinarbeiten, dass die Europäische Union insgesamt eine weltweite Führungsrolle im digitalen Bereich einnimmt." (anw)