E-Mobilitäts-Pionier: Flugtaxis sind auf dem Markt, bevor 5G in die Fläche kommt
"Wir werden komplett elektrisch unterwegs sein in 20 Jahren", meint Daniel Wiegand, Gründer des Airtaxi-Startups Lilium. Der Flieger sei schon in der Zulassung.
"2040 werden wir rund 30 Prozent unserer Personenkilometer in der Luft zurücklegen", prognostizierte Daniel Wiegand, Mitgründer und Geschäftsführer der Firma Lilium, am Mittwoch in einer Talk-Runde im Telefónica-Basecamp in Berlin. Die von ihm geleitete Firma entwickelt von München aus ein Flugtaxi mit Elektroantrieb, das senkrecht starten und landen können soll.
"Wir werden komplett elektrisch unterwegs sein in 20 Jahren", meint Wiegand. Was neu gebaut werde "und noch Kohlendioxid ausstößt, ist unverantwortlich". Die Ausnahme bildeten Langstreckenflugzeuge, bei denen sich die Elektromobilität erst in 30 Jahren durchsetzen werde. Um die Nachhaltigkeit der benötigten Batterien macht sich Wiegand keine Sorgen: es gebe schon jetzt Technik, um die Energiespeicher zu 100 Prozent zu recyceln.
"Nicht absolut, aber extrem sicher"
Ein Prototyp des geplanten "Lilium-Jets", der von 36 Propellern angetrieben wird, absolvierte im Frühjahr 2017 erfolgreich seinen Jungfernflug. Das markttaugliche "Airtaxi" soll eine Reichweite von rund 350 Kilometer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h haben. Es befinde sich derzeit im europäischen Zulassungsverfahren bei der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und werde dort "nach Passagierjet-Standards" auf Herz und Nieren geprüft, sagte Wiegang. Derlei Flugzeuge seien bekanntlich "nicht absolut, aber extrem sicher". Gegenüber gängigen Kleinflugzeugen lege Lilium so bei den Sicherheitssystemen "noch eins drauf".
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Einen Zeitpunkt, wann das Flugtaxi verfügbar sein könnte, nannte Wiegang nicht: "Ich glaube aber, der Jet wird da sein, bevor wir 5G flächendeckend haben." Die neue Mobilfunkgeneration benötige das System aber durchaus, wenn auch nicht direkt für den Flieger, so doch für die Funktionen im Hintergrund. Sonst könne in Echtzeit nicht gemessen werden, wie voll der Mini-Jet sei, wie viele Leute an Bord seien oder "wie alt die Batterie ist".
Senkrechtstarter Lilium Jet (45 Bilder)
(Bild: Lilium)
Wiegand will die auf fünf Personen ausgelegten Fluggeräte weltweit auf den Markt bringen. "Auch sehr gerne und ganz am Anfang in Deutschland", fügte er an. Für "ein paar hundert Flugzeuge" reichten die bestehenden rechtlichen Vorgaben hierzulande aus, doch "bei zehn- oder hunderttausenden wird es schwierig". An die Politik appellierte er daher, jetzt den Markt zu öffnen und die "richtige Regulierung" voranzutreiben. Sie müsse beweisen, "dass wir agil solche Dinge ermöglichen". Und zwar nicht auf einer "kleinen Teststrecke zwischen zwei Bergen", sondern "kommerziell und ernst" in Berlin, München oder Hamburg.
"Andere Gründerkultur nötig"
Wiegand geht davon aus, dass sich die Mobilität durch die Digitalisierung vielfältiger gestalte. Es werde schwerer, zwischen öffentlichem und individuellem Verkehr zu unterscheiden. Künftig buchten mehrere Leute gemeinsam Fahrten, würden "on Demand" abgeholt von Bussen ohne festen Fahrplan. Vorstellen könne er sich auch, dass auf U-Bahn-Schienen nach den stark frequentierten Zeiten Elektroautos unterwegs seien. Um solche Ideen verwirklichen zu können, sei aber eine ganz andere Gründerkultur unterfüttert von mehr Risikokapital nötig. Lilium habe sich das Geld von Investoren auf einer "klassischen Silicon-Valley-Tour" besorgt, dort aber just von einer chinesischen Wagniskapitalfirma. Airbus und Daimler investieren parallel in andere Flugauto-Projekte.
"Das Flugtaxi ist keine Vision mehr, es ist Realität", meinte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Frustrierend sei daran nur, dass seine Kollegin Dorothee Bär für eine solche Ansage noch vor Kurzem mit einem Shitstorm überzogen worden sei. Die Politik werde nun schon parallel zur Produktentwicklung bei Lilium den rechtlichen Rahmen bereiten, "um Zeit zu sparen". Geklärt werden müsse etwa: "Wo lassen wir die Dinger starten und landen, wo sind die Einflugschneisen?" Klar sei, dass Deutschland nicht nur den Jet, sondern auch andere neue Mobilitätsmodelle wie das automatisierte Fahren oder "Lkw-Platooning" jetzt "zum Fliegen bringen" müsse.
Die ethischen Fragen etwa rund um selbstfahrende Autos erklärte Scheuer bereits für ausreichend ausgeleuchtet. Erforderlich sei noch ein gemeinsamer europäischer Kraftakt im Bereich Akkus für die E-Mobilität: "Wir brauchen eine Batterie-Airbus", forderte Scheuer. Zudem fördere das Verkehrsministerium etwa Ampelsysteme mit Künstlicher Intelligenz, um den Fluss der Fahrzeuge zu verbessern. Beschlüsse über dynamische Verkehrsschilder auf elektronischer Basis steckten dagegen im "Bund-Länder-Fachausschuss" fest. Beim ÖPNV setzt der Minister künftig auf eine Art Haustürservice, der vom "Berlkönig bis zu anderen Pooling- und Carsharing-Systemen" reiche. (anw)