EU-Abgeordnete wollen sämtliche Urheberrechtsverstöße kriminalisieren
Janelly Fourtou, Gattin des Vorstandsvorsitzenden von Vivendi, und ihre Kollegin Nicole Fontaine haben im EU-Parlament scharfe Änderungsanträge zu den geplanten Strafvorschriften zum Schutz geistigen Eigentums eingebracht.
Janelly Fourtou, Gattin des Vorstandsvorsitzenden des französischen Medienkonglomerats Vivendi, und ihre französische Kollegin Nicole Fontaine haben scharfe Änderungsanträge zu den geplanten EU-Strafvorschriften zum Schutz geistigen Eigentums in den federführenden Rechtsausschuss des EU-Parlaments eingebracht. Geht es nach den beiden EU-Abgeordneten, soll die von der EU-Kommission vorgesehene Beschränkung der geplanten Kriminalisierung etwa von Urheberrechts- oder Markenrechten auf Verstöße "im gewerblichen Ausmaß" aufgehoben werden. Im Visier haben die liberale Politikerin und ihre konservative Unterstützerin anscheinend vor allem Tauschbörsennutzer, da diese mit der vorgeschlagenen Korrektur von dem Anti-Pirateriegesetz erfasst werden könnten.
Fontaine drängt ferner auf eine Verdoppelung der maximalen Geldstrafen bei Rechtsverstößen im Bereich der schweren Kriminalität auf mindestens 600.000 Euro, wobei letztlich aber die bis zu zehnfache Summe der Gewinneinbuße als Schadensersatz gefordert werden können soll. Die Kommission hatte in ihrem umstrittenen Vorschlag für die Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte Strafmaße ins Spiel gebracht, die von 100.000 Euro für einfache Vergehen bis zu 300.000 Euro sowie Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren für besonders schwere Straftaten mit einem Hintergrund des organisierten Verbrechens reichen.
Auch sonst enthält die Liste der Änderungsanträge, über die der Rechtsausschuss Ende Januar entscheiden soll, so manchen Verschärfungsvorschlag. Der niederländische Liberale Toine Manders will etwa erreichen, dass jeder Kauf einer Raubkopie oder eines Piraterieguts als "Hehlertätigkeit" angesehen und entsprechend bestraft werden soll. Nur wenige Parlamentarier wie die Grüne Eva Lichtenberger oder die Sozialdemokratin Edith Mastenbroeck drängen darauf, den Geltungsbereich der Richtlinie etwa gemäß der Empfehlungen des Industrieausschusses auf absichtlich begangene Markenrechtsverletzungen und Urheberrechtspiraterie in klar definierten kommerziellen Ausmaßen zu beschränken. Allein Mastenbroeck möchte zudem einen Erwägungsgrundsatz in die Richtlinie eingeführt wissen, wonach der nicht-kommerzielle Dateitausch zwischen Individuen von vornherein ausgeschlossen werden soll.
Fourtou hatte schon während der heftigen Auseinandersetzungen um die sogenannte erste Durchsetzungsrichtlinie versucht, jegliches illegale Kopieren als schwere Straftat zu fassen. Damals waren Befangenheitsvorwürfe gemacht worden, da zum von ihrem Mann Jean-René Fourtou geführten Mischkonzern unter anderem das Label Universal Music gehört und sich die Musikindustrie seit langem einem rechtspolitischen Kampf gegen illegale Peer-2-Peer-Nutzer verschrieben hat. Das EU-Parlament hatte letztlich aber die Geltung der bis zuletzt heftig umkämpften Richtlinie auf das Zivilrecht eingeschränkt. Nichtsdestoweniger holte die Kommission wenig später wieder zu ihrem strafrechtlichen Vorschlag aus. Nun liegen auch die Fourtou-Forderungen erneut auf dem Tisch.
Bislang existieren in der EU noch nicht überall strafrechtliche Vorschriften bei Verletzungen geistigen Eigentums. Das deutsche Recht kennt sie zwar bereits etwa im Urheber-, Patent- und Markenrecht, auch wenn sie gerade in geringfügigen Fällen und im privaten Bereich bislang nur selten angewendet werden. Großbritannien dagegen geht gerade bei Patentverletzungen bislang insgesamt noch nicht von einer Straftat aus. Hierzulande ist zudem die Einführung einer sogenannten Bagatellklausel bei Urheberrechtsverstößen im Rahmen der zweiten Stufe der Reform des Urheberrechtsgesetzes nach wie vor in der Diskussion. So machte sich jüngst der SPD-Verbraucherschutzpolitiker Manfred Zöllmer für die Wiedereinführung der Passage stark, mit der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ursprünglich das illegale Naschen an Tauschbörsen für rein private Zwecke von der Strafverfolgung explizit freistellen wollte.
Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):
(Stefan Krempl) / (pmz)