EU-Urheberrechtsreform endgültig beschlossen: EU-Rat lässt Upload-Filter passieren

Die EU-Staaten haben die neue Urheberrechtsrichtlinie bestätigt und damit den letzten gesetzgeberischen Akt formal vollzogen. Kritiker warnen weiter vor Zensur.

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Ohne weitere Debatte haben die EU-Länder am Montag in Brüssel die heftig umkämpfte Copyright-Novelle abgesegnet. Viele Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten werden künftig nicht darum herumkommen, Upload-Filter einzusetzen und damit geschützte Werke schon vor dem Erscheinen auf ihren Seiten unzugänglich zu machen.

EU-Urheberrechtsreform und Artikel 13/17

Finnland, Italien, Luxemburg, Polen, die Niederlande und Schweden stimmten bei der Sitzung des Rats für Landwirtschaft und Fischerei gegen den Richtlinienentwurf, den das EU-Parlament Ende März beschlossen hatte. Estland sah den Text ebenfalls als nicht ausgewogen an und hatte zunächst darauf gedrängt, die Abstimmung zu verschieben. Letztlich enthielten sich die Esten genauso wie Belgien und Slowenien. Für eine Sperrminorität reichte dies nicht aus.

Die Bundesregierung einigte sich in letzter Minute darauf, für die Reform zu stimmen und zugleich eine lange Protokollerklärung Deutschlands abzugeben. Darin begrüßt Berlin etwa die "dringend nötigen Anpassungen des nicht mehr zeitgemäßen Rechtsrahmens" etwa beim Text- und Data-Mining und beim leichteren Zugang zu vergriffenen Werken. "Nicht gelungen" sei jedoch das verabredete Konzept bei Upload-Plattformen, das in der Breite nicht alle überzeuge. Kreative sollten zwar an den Einnahmen von Portalen wie YouTube beteiligt werden. Insbesondere die Pflicht, auf Dauer ein "Stay down" der geschützten Inhalte zu gewährleisten, stoße "aufgrund Algorithmen-basierter Lösungen" wie Upload-Filter aber "auf starke Bedenken" und breite Kritik in der deutschen Öffentlichkeit.

Nach dem einschlägigen Artikel 17 (vormals 13) ist die EU-Kommission verpflichtet, einen Dialog mit allen betroffenen Interessensgruppen zu führen und Leitlinien zur Umsetzung zu erstellen, betont die Bundesregierung. Dieser Prozess müsse vom Geist getragen sein, eine angemessene Vergütung zu gewährleisten, "Upload-Filter nach Möglichkeit zu verhindern", die Meinungsfreiheit sicherzustellen und die Nutzerrechte zu wahren. Dafür müsse eine einheitliche Lösung für den ganzen Binnenmarkt gefunden werden.

Auch die datenschutzrechtlichen Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seien zu beachten sowie bei nicht technischen Lösungen zumindest offene Schnittstellen mit freier Software einzusetzen, heißt es in der Erklärung weiter. Ein De-Facto-Copyright-Register bei großen Plattformen müsse vermieden werden. Auch Blogs und Foren sowie Messenger-Dienste dürften nicht unter die Klausel fallen. Die Regeln zielten "lediglich auf die marktmächtigen Plattformen, die große Massen von urheberrechtlich geschützten Uploads zugänglich machen und hierauf ihr kommerzielles Geschäftsmodell gründen, also auf Dienste wie beispielsweise YouTube oder Facebook".

Ziel müsse es sein, "das Instrument Upload-Filter weitgehend unnötig zu machen", unterstreicht die Bundesregierung. Sie bringt ferner "verfahrensrechtliche Sicherheiten" ins Spiel, über die Nutzer etwa beim Hochladen angeben könnten, dass sie sich legal verhielten. Unerlässlich sei ein "niederschwelliger Beschwerdemechanismus". Von den Plattformen dürfe nichts Unverhältnismäßiges verlangt werden. Neben klassischen Einzellizenzierungen seien "sogenannte Schranken möglicherweise verbunden mit Vergütungsansprüchen" oder auch ein "Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen" denkbar. Man werde alle diese Modelle prüfen. Falls die Meinungsfreiheit in der Praxis doch eingeschränkt werde, müssten die festgestellten Defizite in der Richtlinie korrigiert werden.

Laut der im Trilog Mitte Februar von Verhandlungsführern aus dem Parlament, dem Ministerrat und der Kommission gefundenen Übereinkunft sollen die Mitgliedsstaaten vorsehen, dass "Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten" ein Werk öffentlich wiedergeben, wenn sie der Öffentlichkeit Zugang zu von den Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen verschaffen. Die betroffenen Portalbetreiber müssen daher etwa durch eine Lizenzvereinbarung die Erlaubnis von allen erdenklichen Rechteinhabern einholen.

Größere Nutzer einschlägiger Plattformen wie YouTuber, die "erhebliche Einnahmen" etwa mit Werbung erzielen und gewerblich tätig sind, müssen trotzdem nach Artikel 17 weiter selbst Lizenzen für von ihnen genutztes fremdes geschütztes Material abschließen. Die Betreiber werden zudem für das Teilen von Inhalten und die damit erfolgende öffentliche Wiedergabe verantwortlich, was einen Paradigmenwechsel im Haftungsregime darstellt. Bisher waren sie explizit von den damit eröffneten Sanktionen ausgenommen.

Aus dem Schneider sind die erfassten Diensteanbieter nur, wenn sie alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen und "nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt" ebenfalls mit aller Kraft sich bemüht haben sicherzustellen, dass bestimmte Werke nicht verfügbar sind, wenn die Rechteinhaber dazu "einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben". In jedem Fall müssen sie zudem nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von Urhebern oder Verwertern unverzüglich die entsprechenden Werke sperren, von ihren Seiten entfernen und erneut "alle Anstrengungen" unternommen haben, ein künftiges Hochladen zu verhindern.

Bei fast allen einschlägigen Providern dürfte es so auf Upload-Filter hinauslaufen. Die dafür verwendeten Algorithmen sollen aber gewährleisten, dass sich alle Nutzer auf ihre Rechte stützen können, zu zitieren, zu kritisieren, zu rezensieren sowie "Karikaturen, Parodien oder Pastiches" erstellen zu dürfen. Für diese Möglichkeit, etwa Meme zu verbreiten, haben die Mitgliedsstaaten Sorge zu tragen. Der Artikel soll auch nicht "zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung" führen.

Nicht erfasst werden nicht-kommerzielle Dienste wie Online-Enzyklopädien, bildungsbezogene oder wissenschaftliche Verzeichnisse, Betreiber von Cloud-Diensten für "die eigene Nutzung", Entwicklungsplattformen für freie Software und reine Online-Marktplätze wie eBay. Außen vor bleiben ferner Startups, die weniger als drei Jahre auf dem Markt sind und deren Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro liegt. Wenn sie im Monat auf über fünf Millionen Besucher kommen, sollen aber auch diese Firmen alles in ihrer Macht Stehende tun, um das erneute rechtswidrige Hochladen von Inhalten zu verhindern.

Das ebenfalls enthaltene EU-weite Leistungsschutzrecht soll sich nicht auf Hyperlinks beziehen. "Einzelne Wörter" oder "sehr kurze Auszüge" aus einem Presseartikel dürfen genutzt werden. Verleger und Google streiten seit Jahren vor Schiedsstellen und Gerichten darüber, was die ähnlich gefasste Grenze hierzulande bedeutet.

Der Digitalverband Bitkom kritisierte ein Falschspiel der Bundesregierung: "In Brüssel eine Richtlinie durchwinken und in der Umsetzung dann einen anderen rein nationalen Weg einschlagen – das kann keine Praxis im digitalen Binnenmarkt sein." Gleichzeitig verprelle die Politik damit eine ganze Generation internetaffiner Menschen, der viele kreative Ausdrucksmöglichkeiten und die freie Kommunikation im Internet genommen würden.

Welcher Künstler nehme Schaden, wenn etwa ein Jugendlicher Songs in mäßiger Qualität nachspiele und Videos davon im Internet hochlade, fragte die IT-Lobby. Diese urheberrechtliche Prinzipienreiterei müsse ein Ende haben. Zeitgemäß sei das Copyright nur, "wenn es Kreativität und wirtschaftliche Aktivitäten stimuliert und dann für einen gerechten Ausgleich sorgt, wenn an einer Stelle ein echter Schaden entsteht". (mho)