Ein Monat Präventivhaft: Brandenburg verabschiedet neues Polizeigesetz
Der Landtag Brandenburg hat mit knapper Mehrheit eine Reform der Befugnisse der Polizei verabschiedet. Gefährder können vier Wochen hinter Gitter wandern.
Nach langen Auseinandersetzungen auch innerhalb der rot-roten Koalition hat der Landtag Brandenburg am Mittwoch einen Entwurf zur Novelle des Polizeigesetzes beschlossen. 44 Abgeordnete stimmten für die überarbeitete Initiative der Landesregierung, 38 dagegen. Der frühere Landesjustizminister Volkmar Schöneburg von der zusammen mit der SPD regierenden Linksfraktion enthielt sich. Seine Kollegin Isabelle Vandré war dagegen. Sie erklärten gemeinsam, dass ihnen die Eingriffe in die Bürgerrechte trotz der erreichten Korrekturen noch zu weit gingen.
Hauptstreitpunkt war lange, dass die Landesregierung den Ermittlern eine Befugnis zum Einsatz von Staatstrojanern für das Abhören von Messenger-Diensten und Internet-Telefonie von Terrorverdächtigen einräumen wollte. Die Lizenz zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung sollte sogar mit einem Recht der Fahnder zur "heimlichen Wohnungsdurchsuchung" verknüpft werden, was Sachverständige bei einer parlamentarischen Anhörung als völlig unverhältnismäßiges Mittel abgelehnt hatten.
Verdachtsunabhängige Kontrollen und weitere Befugnisse
Die Linke konnte im Vorfeld erreichen, dass die Klausel zur "Quellen-TKÜ" und für heimliche Online-Durchsuchungen aus dem Entwurf gestrichen wurde. Von der SPD-Fraktion hieß es dazu, dass das Instrument zurückgestellt werde, bis das Bundesverfassungsgericht ähnliche Kompetenzen in anderen Bundesländern geprüft habe. Auch elektronische Fußfesseln für terroristische Gefährder kommen im Einklang mit den Änderungen aus dem Innenausschuss des Landtags nicht.
Die Polizei kann Verdächtige im Terrorismusspektrum aber künftig bis zu vier Wochen präventiv in Haft nehmen, Meldeauflagen erteilen und verdachtsunabhängige Kontrollen ausweiten. Die entsprechende Schleierfahndung ist nicht mehr nur an der Grenze, sondern auch an Bundesfernstraßen und Raststätten gestattet. Die Speicherfristen für Aufnahmen aus der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen hat der Landtag von zwei Tagen auf zwei Wochen verlängert.
Körperkameras sollen nicht nur der "Eigensicherung" dienen
Brenzlige Einsätze der Beamten sollen fortan ferner mit Körperkameras dokumentiert werden. Im Gegensatz zur Bundespolizei werden die Videos aus den Body-Cams aber nicht in der Amazon-Cloud gespeichert. Die entsprechenden Server stünden beim Zentraldienst der Polizei, hatte Landeskriminaldirektor Michael Scharf jüngst erklärt. Die Filme würden auch nicht automatisch hochgeladen, sondern erst nach Einsätzen manuell abgespeichert.
Im Unterschied zu anderen Bundesländern sollen die Aufnahmen auch nicht nur zur "Eigensicherung" der Polizisten dienen. Bürger, die gefilmt wurden, erhalten das Recht, die sie betreffenden Clips einzusehen.
"Muss erst etwas passieren, bis Politik reagiert?"
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verheimlichte während der abschließenden Lesung nicht, dass er sich ein deutlich schärferes Gesetz gewünscht hätte. Hans-Jürgen Scharfenberg werte den Kompromiss für die Linke als guten Ausgleich zwischen polizeilichen Eingriffs- und bürgerlichen Freiheitsrechten. Die Grüne Ursula Nonnemacher beklagte, dass mit dem Entwurf teils drastische polizeiliche Maßnahmen weiter stark in das Vorfeld potenzieller Straftaten verlagert werde.
Linke aus anderen Ländern und dem Bundestag hatten vorab an die brandenburgischen Politiker aus den eigenen Reihen in einem offenen Brief appelliert, die insgesamt inakzeptable Initiative abzulehnen. Die Oppositionsfraktionen CDU und AfD verwiesen dagegen auf ein weichgespültes Gesetz, das die Ordnungshüter im Regen stehen lasse. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg hatte Anfang März gerügt, dass Rot-Rot die Terrorbekämpfung nicht ernst nehme, und gefragt: "Muss erst etwas passieren, bis Politik reagiert?" (bme)