EuGH-Anwalt: Leistungsschutzrecht darf nicht angewandt werden
Die Bundesregierung hätte die EU vor dem Beschluss des "Google-Gesetzes" über das Vorhaben informieren müssen, meint Generalanwalt Gerard Hogan.
Dem deutschen Gesetzgeber droht das 2013 vom Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit verabschiedete Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet nach vielen Jahren wegen einer Formsache um die Ohren zu fliegen. In dem Dauerstreit zwischen deutschen Verlegern und Google über die Interpretation vager Klauseln in dem Regelwerk hat Gerard Hogan, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag dafür plädiert, dass die Vorschriften gar nicht angewendet werden dürfen.
Stein des Anstoßes: Das Bundesjustizministerium hatte es während des Gesetzgebungsverfahrens unterlassen, den Entwurf der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten vorzulegen. Eine solche "Notifizierung" ist nötig, wenn Dienste der Informationsgesellschaft betroffen sind. Hogan vertritt in seinen Schlussanträgen nun die Auffassung, dass die fraglichen deutschen Vorschriften "über ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht für Presseverleger" einer technischen Vorschrift im Sinne der EU-Richtlinie gleichkommen. Sie hätten folglich zunächst der EU übermittelt werden müssen.
Prinzipiell pro Leistungsschutzrecht
Das Leistungsschutzrecht wirke sich praktisch so aus, dass die Anbieter von Suchverzeichnissen im Netz oder News-Aggregatoren ihre Dienste nicht frei verfügbar machen dürften. Verleger könnten diese entweder per Anordnung verbieten lassen oder Geld für die Nutzung ihrer geschützten Werke fordern. Eine Ausnahme gebe es nur, "wenn sich die Veröffentlichung auf wenige Wörter oder einen sehr kleinen Ausschnitt" beschränke.
Hogan akzeptiert zwar, dass der Bundestag die Immaterialgüterrechte der Verleger stärken und "sowohl Medienvielfalt als auch Pressefreiheit" fördern wollte. Das tradierte Geschäftsmodell von Zeitungen, also Verkauf und Werbung, sei in den vergangenen zwanzig Jahren durch die Online-Zeitungslektüre der Konsumenten ausgehöhlt worden. Leistungsstarke Suchmaschinen wie Google hätten diese Praxis erleichtert.
Der Generalanwalt befürwortet also das Leistungsschutzrecht prinzipiell, trotzdem dürfe ein Mitgliedsstaat die Notifizierungspflicht nicht umgehen. Diese solle sicherstellen, dass die Brüsseler Gremien in einer frühen Phase die möglichen Effekte eines Gesetzentwurfs "auf das Funktionieren des Binnenmarkts" untersuchen könnten.
Leistungsschutzrecht bleibt Thema
Vorgelegt hatte den Fall dem EuGH das Berliner Landgericht. Die Verwertungsgesellschaft VG Media verlangt dort von Google Schadenersatz, weil sich der Internetkonzern weigert, für die Darstellung von Textausrissen und Vorschaubildern in eigenen Suchangeboten zu zahlen. Die VG Media vertritt dabei etliche Presseverlage wie Axel Springer, Handelsblatt, Funke oder Dumont. Das Landgericht hatte in der mündlichen Verhandlung im Februar 2017 zunächst auch eine Wortgrenze für Google ins Spiel gebracht. Ein Schiedsverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) war zuvor gescheitert
Die EuGH-Richter werden die Streitsache nun auf Basis der Empfehlung Hogans beraten. Schlussanträge der Generalanwälte sind für sie nicht bindend, oft folgen sie ihnen aber zumindest in Teilen. Mit dem Urteil ist in den nächsten Monaten zu rechnen. Selbst wenn das Luxemburger Gericht die hiesigen Vorschriften praktisch kippen sollte, dürfte die Auseinandersetzung mittelfristig weitergehen: Die EU-Gremien beraten gerade darüber, ein noch schärferes Leistungsschutzrecht in der gesamten Gemeinschaft einzuführen. Ein Kompromiss zu der Richtlinie soll am Donnerstagabend erzielt werden. (anw)