Funkzellenabfrage: US-Bundesrichter stellen die Verfassungsfrage
Ein US-Gericht hat in einem Ermittlungsverfahren die Behörden-Anträge für eine Funkzellenabfrage unter Verweis auf verfassungsrechtliche Schranken abgewiesen.
In den USA haben Richter eines Bundesgerichts den Antrag der Ermittlungsbehörden zur Genehmigung einer Funkzellenabfrage mehrfach abgewiesen und dabei verfassungsrechtliche Bedenken angeführt. Die Entscheidungen der Richter sind bemerkenswert, weil sie das in den USA übliche Verfahren für Funkzellenabfragen in Frage stellen.
In einem Ermittlungsverfahren wegen Arzneimitteldiebstahl hatten Behörden in Chicago eine gerichtliche Anordnung beantragt, um Google zur Herausgabe von Standort- und Nutzerdaten zu zwingen. Die Behörden wollten Angaben über Identifikationsnummern und Standortdaten aller Smartphones, die sich zu verschiedenen Terminen an bestimmten Orten aufgehalten hatten.
Dreistufiges Verfahren
Für solche Datenherausgaben hat sich in den USA ein dreistufiges Verfahren etabliert. Im ersten Schritt sollte Google anonymisierte Daten der Geräte übermitteln, die zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort waren. Aus dieser Liste wählen die Behörden dann bestimmte Geräte aus, über die sie weitere Informationen erhalten möchten. Für eine weitere Auslese des Gerätepools werden dann auch identifizierende Informationen über die Account-Inhaber angefordert.
Den Richtern in dem Chicagoer Verfahren war aber zu unspezifisch, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht, die von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) veröffentlicht wurden. Die Juristen sind der Ansicht, dass der Antrag angesichts der Zielregion im dicht besiedelten Stadtgebiet zu breit gefasst ist. Damit gerate er in Konflikt mit dem vierten Verfassungszusatz, der eine genaue Eingrenzung für Überwachungs- und Durchsuchungsbefehle verlangt.
Es gebe zwar hinreichenden Grund zu der Annahme, dass ein Mobiltelefonnutzer innerhalb der eingegrenzten Gebiete ein Verbrechen begangen haben könnte, räumte Bundesrichter David Weisman in einer ersten Ablehnung des Antrags ein. Doch sei nicht ausreichend begründet worden, warum alle anderen betroffenen Geräte ebenfalls mit dem Verbrechen in Verbindung stünden. Der Zielbereich des Antrags sei nicht "eng zugeschnitten", wenn in einer belebten Stadt der Großteil der Erfassten "überhaupt nichts mit den untersuchten Straftaten zu tun" habe.
Auch in Deutschland umstritten
Weisman kritisiert zudem, dass "die undisziplinierte und übertriebene Anwendung" der Funkzellenabfragen die "Privatsphäre und das Vertrauen in Strafverfolgungsbeamte gefährdet". Laut Google war die Zahl der Abfragen im Jahr 2018 gegenüber 2017 um 1500 Prozent gestiegen. Auch hierzulande ist das Instrument umstritten und sollte Juristen zufolge vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.
Nach der Abweisung ihres Antrags hatten die Behörden einen geänderten Antrag gestellt, in dem die Zielregion leicht verkleinert wurde. Ein zweiter Richter, Gabriel Fuentes, lehnte auch dieses Ersuchen ab. Die Ermittler versuchten es ein drittes Mal und schlugen vor, auf den dritten Schritt der Identifikation verdächtiger Konten zu verzichten. Fuentes ging darauf aber nicht ein, da die Verwaltung zugab, dass sie eine separate Anordnung verwenden könnte, um an die detaillierten Nutzerinformationen zu gelangen.
Fuentes verweist zudem auf eine Entscheidung des Supreme Courts, wonach ein Durchsuchungsbefehl für eine Bar und einen dort Angestellten der Polizei nicht die Befugnis gab, jede Person zu durchsuchen, die sich zufällig in der Örtlichkeit aufhielt. Diese Ansage lasse sich analog auf das aktuelle Verfahren beziehen. (vbr)