Hintergrund: Das Urteil im Microsoft-Prozess

In der Begründung des Urteils im Kartell-Prozess gegen Mircosoft gibt Richter Jackson den Klägern in drei von vier Punkten recht.

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Von
  • Christian Rabanus

In der Nacht von Montag auf Dienstag verkündete der amerikanische Richter Thomas Penfield Jackson das Urteil im Kartellprozess gegen Microsoft. Die Vereinigten Staaten von Amerika, neunzehn Bundesstaaten und der Bezirk Columbia hatten Mircosoft angeklagt, unter Einsatz rechtswidriger Methoden seine Monopolstellung auf dem PC-Markt zu verteidigen und eine Monopolstellung im Browsermarkt anzustreben. Die Anklage stützte sich auf den Sherman Antitrust Act, der im Sommer 1890 von den US-amerikanischen Gesetzgebungsorganen verabschiedet wurde, um eine rechtliche Handhabe gegen das Öl-Monopol von John D. Rockefellers Standard Oil Trust zu erhalten.

Die Anklage und das Urteil gegen Microsoft beziehen sich auf die Paragrafen eins und zwei des Sherman Acts. In Paragraf eins wird jedes Bündnis von Unternehmen als illegal bezeichnet, das den freien Handel behindert. In Paragraf zwei wird das Monopolisieren und der Versuch einer Monopolisierung des Handels selbst zum Straftatbestand erklärt.

Im einzelnen warfen die Ankläger Microsoft vor, durch Knebelverträge und andere wettbewerbswidrige und illegale Maßnahmen seine Monopolstellung zu verteidigen, und den – bislang erfolglosen – Versuch zu unternehmen, auch den Browsermarkt zu monopolisieren. Beides verstoße gegen Paragraf zwei des Sherman Acts. Weiterhin brachte das Anklagebündnis vor, dass Microsoft auch gegen Paragraf eins verstoße, indem der Softwarehersteller seine Monopolstellung durch die Bündelung des Internet Explorers mit dem Betriebssystem und durch Exklusiv-Verträge mit Soft- und Hardware-Unternehmen sowie Internet-Providern zu schützen und auszubauen versuche. Jackson befand Microsoft im Sinne von drei der vier Anklagepunkte für schuldig. Lediglich den Vorwurf, dass Microsofts Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen den Tatbestand eines Verstoßes gegen Paragraf eins durch wettbewerbswidrige Exklusiv-Verträge erfüllen, sieht er nicht als erwiesen an.

In seinem Urteil wendet sich Jackson zuerst den Vorwürfen des Verstoßes gegen Paragraf zwei zu. Er führt aus, dass eine Firma insbesondere dann gegen diesen Paragrafen verstoße, wenn sie "Monopolmacht durch wettbewerbswidrige Maßnahmen erlangt oder bewahrt". Dass Microsoft tatsächlich diese Monopolmacht hat, sieht er als erwiesen an. Microsoft beherrsche deutlich den Betriebssystemmarkt. Konkurrenzprodukte hätten kaum eine Chance, einen nennenswerten Marktanteil zu erobern. Seine Stellung im Markt erlaube es Microsoft, die Preise für seine Produkte wesentlich höher als die Konkurrenz anzusetzen, ohne dabei Gefahr zu laufen, in nennenswertem Umfang Kunden zu verlieren.

Vor allem auf Microsofts Umgang mit seinen Konkurrenten Netscape und Sun stützt sich Jacksons Begründung für seine Einschätzung, dass Microsoft seine Monopolmacht durch wettbewerbswidrige Maßnahmen zu sichern, bzw. auszubauen versuche. Microsoft habe frühzeitig die so genannte Middleware, also Software, die auf einem Betriebssystem aufsetzt und betriebssystemunabhängige Schnittstellen für Anwendungsprogramme bereit stellt, als "Trojanisches Pferd" erkannt, das die Monopolstellung Microsofts bedrohe. Netscapes Navigator und Suns Java stellen solche Middleware dar, gegen die sich Microsofts Strategie richte. Um den Navigator zu verdrängen, so führt Jackson aus, integrierte Microsoft seinen eigenen Browser in das Betriebssystem und gewann einerseits Internet-Zugangsanbieter dazu, nur den Internet Explorer zu bewerben, verpflichtete andererseits Hardwarehersteller dazu, an dem mit der Hardware ausgelieferten Betriebssystem keine Veränderungen vorzunehmen. Der entscheidende Punkt für Jacksons rechtliche Bewertung dieser Maßnahmen ist die Tatsache, dass Microsoft sie alle nicht im Blick auf eine Profitsteigerung des eigenen Unternehmens ergriff – Microsoft verkauft seinen Internet Explorer nicht, sondern lizenziert ihn kostenfrei –, sondern mit dem alleinigen Ziel, Netscapes Navigator aus dem Markt zu drängen.

Analog schätzt er die Entwicklung einer microsofteigenen Java Virtual Machine (JVM) ein. Um Suns Java das Wasser abzugraben, habe Microsoft eine eigene Java-Schnittstelle auf den Markt gebracht, die allerdings mit der von Sun nicht vollständig kompatibel sei. In seinen Produkten setzte Microsoft seine eigene JVM ein und – so der Richter – nutzte seine Macht über viele Softwarefirmen, die für die Entwicklung eigener Programme auf die Bereitstellung von Informationen über die in Windows integrierten Application Programming Interfaces (APIs) von Microsofts abhängig sind, sie zur Integration von Microsofts JVM in ihre Produkte zu bewegen.

Jackson kommt schließlich zu dem Schluß, dass Microsoft "einen bewußten Angriff gegen unternehmerische Bemühungen startete, die ... zu einer Wettbewerbssituation auf dem Markt für Intel-kompatible PC-Betriebssysteme" hätten führen können. Er fährt fort: "Microsofts wettbewerbswidriges Verhalten hemmte den Wettbewerbsprozess, durch den in der Computer-Software-Industrie Innovationen hervorgebracht werden und der für den Verbraucher das Beste herausholt." Dieses Agieren des Windows-Herstellers geisselt Jackson in seinem Urteil als "räuberisch". Insgesamt sieht er es als erwiesen an, dass Microsoft mit seinen Versuchen, sein Monopol im PC-Markt zu behalten und ein Monopol auf dem Browser-Markt zu erhalten, gegen Paragraf zwei des Sherman Acts verstossen hat.

Jackson geht dann auf die Vorwürfe ein, dass Microsoft auch im Sinne von Paragraf eins schuldig sei. Ein Verstoß in diesem Sinne durch Bündelung von Produkten liege dann vor, wenn "(1) zwei separate 'Produkte' beteiligt sind, (2) der Beklagte seinen Kunden keine Möglichkeit läßt, das Produkt, an das gebündelt wird, ohne das gebündelte Produkt zu erwerben, (3) die Bündelung einen wesentlichen Anteil des Marktes betrifft und (4) der Beklagte 'Marktmacht' hat im Marktsegment des Produkts, an das gebündelt wird".

Microsofts Verteidigung bestand vor allem darin zu verneinen, dass Internet Explorer und Betriebssystem zwei getrennte Produkte seien. Es liege hier ein "integriertes Produkt" vor, das im Segment der "Plattformen für Software-Applikationen" auf dem Markt sei, erklärten die Anwälte aus Redmond. Allerdings konnte diese Argumentation Richter Jackson nicht überzeugen: Für ihn ist der "Nachfragecharakter" ("character of the demand") entscheidend, und der sei bei Browsern ein deutlich anderer als bei Betriebssystemen. Auch wenn also Browser und Betriebssystem funktional eng verknüpft seien – wie etwa bei Windows 98 –, seien sie doch als separate Produkte anzusehen.

Dass Microsoft eine Auflösung der Bündelung verbiete, gehe aus Verträgen mit Hardware-Herstellern hervor, dass die Bündelung wesentliche Auswirkungen auf den Markt habe, zeigten Kursverlust und Umsatzeinbußen bei Netscape. Und dass Microsoft als Monopolist über "Marktmacht" im Sinne von Kriterium vier verfüge, sei schon im Zusammenhang mit den Vorwürfen eines Verstosses gegen Paragraf zwei des Sherman Acts gezeigt. Folglich sieht es Jackson als erwiesen an, dass Microsoft mit der Bündelung von Betriebssystem und Browser gegen Paragraf eins des Sherman Acts verstoßen habe.

In einem Punkt konnte die Anklage den Richter allerdings nicht überzeugen: Der Vorwurf lautete, dass Microsofts Exklusiv-Verträge mit Soft- und Hardwareherstellern sowie Internet-Dienstleistern einer Verletzung von Paragraf eins des Sherman Acts bedeuten würde, dass nämlich dadurch Netscape die Verbreitung seiner Produkte unmöglich gemacht sei. Jackson sieht es zwar als erwiesen an, dass Exklusiv-Verträge zugunsten Microsofts mit vielen Branchenführern abgeschlossen seien, genauso erwiesen sei es allerdings, dass Netscape noch genug alternative Vertriebskanäle hat nutzen können. Jackson verweist dazu auf die Tatsache, dass sich die Zahl der installierten Netscape-Browser von 15 Millionen 1996 auf 33 Millionen 1998 erhöht habe.

Ein Strafmaß verkündete der Richter noch nicht. Er drängte aber beide Seiten darauf, möglichst innerhalb von 60 Tagen Vorschläge für das Strafmaß vorzulegen. Ein Abschluss des Prozesses wird aber vermutlich auch damit noch nicht erreicht sein: Microsoft hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. (chr)